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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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konnte. Deshalb überraschte es ihn nur wenig, als Tommy Griffiths hereinkam.
    »Ich nehm an, mein Lenny tät auch so ’n Lieutenant sein wie du, wenn er aus Spanien wiedergekommen wäre«, radebrechte Tommy in der Sprache der Bergarbeiter.
    »Das würde ich meinen«, entgegnete Lloyd. Er hatte zwar noch keinen Offizier getroffen, der im Zivilleben Bergmann war,aber wenn der Krieg erst richtig in Gang kam, war alles möglich. »Jedenfalls war er der beste Sergeant in ganz Spanien.«
    »Ihr zwei habt ’ne Menge durchgemacht.«
    »Wir sind durch die Hölle gegangen«, sagte Lloyd. »Und wir haben verloren. Aber diesmal siegen die Faschisten nicht.«
    »Darauf trink ich einen.« Tommy leerte seine Teetasse.
    Lloyd begleitete seine Großeltern zum Abendgottesdienst in der Bethesda-Kapelle. In seinem Leben nahm die Religion nicht viel Platz ein, und ganz gewiss stimmte er nicht mit den Glaubensvorstellungen seines Großvaters überein. Für Lloyd war das Universum ein Rätsel, und das sollten die Menschen ruhig zugeben. Doch es freute seine Großeltern, dass er mit ihnen den Gottesdienst besuchte.
    Die freien Gebete waren von großer Wortgewalt; Bibelzitate wurden übergangslos mit Alltagssprache verbunden. Die Predigt war ein bisschen schleppend, aber der Gesang begeisterte Lloyd. Walisische Kirchgänger sangen ganz von selbst im vierstimmigen Satz, und wenn sie in der richtigen Laune waren, klang es sehr laut und inbrünstig.
    Als Lloyd in den Gesang einfiel, spürte er, dass er sich genau hier, in dieser Kapelle, im pochenden Herzen Großbritanniens befand. Die Menschen um ihn her waren ärmlich gekleidet und ungebildet, und ihr Leben war ein eintöniges Einerlei aus unaufhörlicher Schwerstarbeit. Die Männer schufteten unter Tage, die Frauen zogen die nächste Generation Bergleute auf. Allein auf sich gestellt, hatten sie mit kräftigem Rücken, scharfem Verstand und Zusammenhalt eine ganz eigene Kultur erschaffen, die ihnen das Leben lebenswert machte. Sie gewannen Hoffnung aus nonkonformistischem Christentum und linksgerichteter Politik; sie hatten Freude an Rugby, Fußball und Männerchören, und sie waren aneinander gebunden durch Großzügigkeit in guten und Solidarität in schlechten Zeiten. Für diese Menschen, für diese Stadt wollte Lloyd kämpfen, und wenn er sein Leben für sie geben musste.
    Grandah sprach das Abschlussgebet. Mit geschlossenen Augen erhob er sich und stützte sich auf seinen Gehstock. »O Herr, du siehst unter uns deinen jungen Diener Lloyd Williams, der hier in seiner Uniform sitzt. Wir bitten dich, schone in deiner Weisheit und Gnade sein Leben in dem Konflikt, der uns bevorsteht. Bitte,Herr, schicke ihn uns gesund und wohlbehalten zurück, wenn es dein Wille ist.«
    Die Gemeinde antwortete mit einem inbrünstigen »Amen«. Lloyd wischte sich verstohlen eine Träne ab.
    Er brachte die alten Leute nach Hause, als die Sonne sich hinter den Berg verkroch und sich abendliches Halbdunkel auf die Reihen grauer Häuser senkte. Das Angebot eines Abendbrots lehnte er ab; stattdessen eilte er nach Tŷ Gwyn zurück, wo er rechtzeitig zum Dinner ins Kasino kam.
    Es gab gedünstetes Rindfleisch, Salzkartoffeln und Kohl. Das Essen war nicht besser oder schlechter als die meisten Mahlzeiten bei der Army, und Lloyd langte tüchtig zu, ohne zu vergessen, dass es von Menschen wie seinen Großeltern bezahlt wurde, die zum Abendessen nur Brot mit Schweineschmalz aßen. Sogar eine Flasche Whisky stand auf dem Tisch, und Lloyd trank einen Schluck, um nicht ungesellig zu erscheinen. Dabei musterte er seine Schulungskameraden und versuchte sich ihre Namen zu merken.
    Auf dem Weg hinauf in sein Zimmer kam er an der Skulpturenhalle vorbei, in der nun keine Kunstwerke mehr standen, sondern eine Schultafel und zwölf schmucklose Tische. Er entdeckte Major Lowther, der sich mit einer Frau unterhielt. Erst auf den zweiten Blick sah Lloyd, dass es sich um Daisy Fitzherbert handelte.
    Überrascht blieb er stehen. Lowther drehte sich mit verärgerter Miene zu ihm um und sagte widerwillig: »Lady Aberowen – ich glaube, Sie kennen Lieutenant Williams.«
    Wenn sie es abstreitet, dachte Lloyd, werde ich sie daran erinnern, wie sie mich auf einer dunklen Straße in Mayfair voller Leidenschaft geküsst hat.
    »Wie schön, Sie wiederzusehen, Mr. Williams«, sagte Daisy und reichte ihm die Hand.
    Ihre Haut fühlte sich warm und weich an. Lloyds Herz schlug schneller.
    »Williams sagte mir, dass seine Mutter in diesen

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