Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
und hören zu, mein Junge«, sagte er. »Dabei können Sie eine Menge lernen.« Greg hätte jubeln können. Vielleicht bekam er während der Besprechung sogar die Gelegenheit, mit seinem Wissen zu glänzen. Er wollte diesen mächtigen Männern auffallen, wollte sie beeindrucken.
Ein paar Minuten später traf Senator Dewar mit seinem Sohn Woody ein. Beide waren schlaksig, und beide trugen ähnliche dunkelblaue, einreihige Sommeranzüge aus Leinen. Was Woody von seinem Vater unterschied, war das künstlerische Talent: Für seine Fotos im Harvard Crimson war er mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden.
Woody nickte Bexforth Ross zu, Welles’ Chefassistent. Bexforth war ein selbstzufriedener Bursche, der Greg wegen seines russischen Namens gern als »Russki« bezeichnete.
Welles eröffnete die Sitzung. »Ich habe Ihnen etwas höchst Vertrauliches mitzuteilen, das diesen Raum nicht verlassen darf. Anfang nächsten Monats wird sich der Präsident mit dem britischen Premierminister treffen.«
Greg konnte nur mit Mühe einen erstaunten Ausruf unterdrücken.
»Ausgezeichnet«, sagte Gus Dewar. »Und wo?«
»Es ist geplant, irgendwo auf dem Atlantik per Schiff zusammenzukommen. Das soll der Sicherheit dienen und Churchills Reisezeit verkürzen. Der Präsident wünscht, dass ich an dem Treffen teilnehme, während der Außenminister in Washington bleibt und sich um das Tagesgeschäft kümmert. Er möchte, dass Sie ebenfalls mitkommen, Gus.«
»Ich fühle mich geehrt«, erwiderte Gus. »Was steht auf der Tagesordnung?«
»Wie es aussieht, haben die Briten die drohende deutsche Invasion vorerst abgewehrt, sind aber zu schwach, um die Deutschen auf dem europäischen Festland anzugreifen – es sei denn, wir helfen ihnen. Deshalb wird Churchill uns bitten, dem Großdeutschen Reich den Krieg zu erklären. Natürlich werden wir ablehnen. Sobald das erledigt ist, wünscht der Präsident eine gemeinsame Erklärung, was die amerikanischen und britischen Ziele angeht.«
»Aber nicht unserer Kriegsziele.«
»Nein. Die Vereinigten Staaten befinden sich nicht im Krieg und haben auch nicht die Absicht, in den Krieg einzutreten. Das ändert aber nichts daran, dass wir mit den Briten verbündet sind. Deshalb werden wir sie mit fast allem versorgen, was sie brauchen, bei unbegrenztem Kredit. Dafür erwarten wir ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Nachkriegswelt, sobald Nazi-Deutschland besiegt ist.«
»Ist dabei ein gestärkter Völkerbund vorgesehen?«, fragte Gus. Greg wusste, dass der Senator fest hinter dieser Idee stand; für Welles galt das Gleiche.
»Deshalb wollte ich mit Ihnen sprechen, Gus. Wenn wir unser Ziel durchsetzen wollen, müssen wir vorbereitet sein. Wir müssen Roosevelt und Churchill dazu bewegen, sich als Teil ihrer gemeinsamen Erklärung auf einen gestärkten Völkerbund festzulegen.«
»Wir wissen beide«, sagte Gus, »dass der Präsident theoretisch dafür ist, aber die öffentliche Meinung fürchtet.«
Ein Referent kam herein und reichte Bexforth eine Mitteilung. Er überflog sie und sagte: »Ach du meine Güte!«
»Was ist denn?«, fragte Welles gereizt.
»Wie Sie wissen, hat letzte Woche der japanische Kronrat getagt«, antwortete Bexforth. »Es gibt neue Erkenntnisse, was die Überlegungen der Japaner angeht.«
Er sagte mit keinem Wort, woher er die Informationen hatte, aber Greg wusste es auch so: Die Fernmeldeaufklärung der US Army war in der Lage, Funknachrichten abzufangen und zu entschlüsseln, die das japanische Außenministerium in Tokio an seine Botschaften in aller Welt sendete. Die Daten aus diesen Abhörvorgängen trugen den Codenamen MAGIC . Greg wusste davon,obwohl er nichts davon wissen durfte. Hätte die Army erfahren, dass er in das Geheimnis eingeweiht war, wäre der Teufel los gewesen.
»Die Japaner diskutierten eine Ausweitung ihres Imperiums«, fuhr Bexforth fort. Japan hatte sich bereits die riesige Mandschurei einverleibt und einen großen Teil des restlichen chinesischen Territoriums besetzt. »Die Vorstellung einer Expansion nach Westen steht bei den Japanern nicht hoch im Kurs. Ein Vordringen nach Sibirien würde Krieg mit der Sowjetunion bedeuten.«
»Gott sei Dank«, sagte Welles. »So können die Russen sich auf den Kampf gegen die Deutschen konzentrieren.«
»So ist es, Sir. Leider planen die Japse nun eine Expansion nach Süden, um die Herrschaft über ganz Indochina und Niederländisch-Indien an sich zu reißen.«
Greg konnte es kaum glauben. Das war eine
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