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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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er mir ein wöchentliches Taschengeld zahlt, damit ich mich von dir fernhalte. Er zahlt es mir noch heute. Es ist nicht viel, aber es reicht für die Miete. Ich musste ihm damals versprechen, dich nie mehr zu sehen – aber irgendwie habe ich den Mut gefunden, ihm eine Bedingung zu stellen.«
    »Welche?«
    »Dass er niemals einen Annäherungsversuch bei mir macht. In diesem Fall würde ich dir alles erzählen.«
    »Und er war einverstanden?«
    »Ja.«
    »Mit Drohungen sind bisher nur wenige bei ihm durchgekommen.«
    Jacky schob den Teller weg. »Dann sagte er mir, dass Joe mir das Gesicht zerschneidet, wenn ich mein Wort breche. Joe hat mir sein Rasiermesser gezeigt.«
    Es passte alles zusammen. »Deshalb hast du immer noch Angst.«
    Ihre dunkle Haut war mit einem Mal blutleer vor Furcht. »Darauf kannst du wetten.«
    Greg senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Jacky, es tut mir leid.«
    Sie rang sich ein Lächeln ab. »Vielleicht lag dein Vater gar nicht so verkehrt. Du warst fünfzehn. Das ist kein Alter zum Heiraten.«
    »Wenn er es mir gesagt hätte, wäre es vielleicht etwas anderes. Aber immer entscheidet er allein, was geschehen soll, und sorgt dafür, dass es geschieht, als hätte sonst niemand ein Recht auf eine eigene Meinung.«
    »Trotzdem, wir hatten eine schöne Zeit.«
    »Ja.«
    »Ich war dein Geschenk.«
    Er lachte. »Das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe.«
    »Was machst du denn jetzt so?«
    »Ich arbeite den Sommer über in der Pressestelle des Außenministeriums.«
    Sie verzog das Gesicht. »Klingt langweilig.«
    »Ganz im Gegenteil! Es ist aufregend, dabei zu sein, wenn mächtige Männer Entscheidungen treffen, die die Welt erschüttern. Und dabei sitzen sie nur an ihrem Schreibtisch. Sie bestimmen, was auf dem Globus geschieht.«
    Jacky blickte skeptisch drein. »Na ja, besser als Kellnern ist es wahrscheinlich schon.«
    Allmählich begriff er, wie weit sie sich voneinander entfernt hatten. »Im September gehe ich für das Abschlussjahr nach Harvard zurück.«
    »Ich wette, du bist ein Geschenk für die Studentinnen.«
    »Da gibt’s vor allem Männer, kaum Frauen.«
    »Aber du kommst zurecht, oder?«
    »Dich kann ich nicht anlügen.« Er fragte sich, ob Emily Hardcastle ihr Versprechen hielt und sich ein Verhütungsmittel einsetzen ließ.
    »Du wirst eine von ihnen heiraten, hübsche Kinder haben und in einem schönen Haus an einem Seeufer wohnen.«
    »Ich würde gern in die Politik gehen und vielleicht Außenminister werden oder Senator, wie Woody Dewars Vater.«
    Sie blickte weg.
    Greg dachte an das Haus am Seeufer. Offenbar war das ihr Wunschtraum. Sie tat ihm leid.
    »Du wirst es schaffen«, sagte Jacky. »Das weiß ich. Du hast die richtige Ausstrahlung. Die hattest du schon mit fünfzehn. Du bist wie dein Vater.«
    »Was? Hör bloß auf!«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Überleg doch mal, Greg. Du wusstest, dass ich dich nicht sehen wollte. Aber du hast mir einen Schnüffler auf den Hals gehetzt. ›Er allein entscheidet, was geschehen soll, und sorgt dafür, dass es geschieht, als hätte sonst niemandein Recht auf eine eigene Meinung.‹ Das hast du eben noch über deinen Vater gesagt.«
    Greg war entsetzt. »Ich hoffe, ich bin nicht genauso wie er.«
    Sie maß ihn mit Blicken. »Die Geschworenen sind noch nicht wieder im Gericht.«
    Die Kellnerin räumte Jackys Teller ab. »Nachtisch?«, fragte sie. »Ich kann Ihnen den Pfirsichkuchen empfehlen.«
    Beide wollten kein Dessert, und die Kellnerin schob Greg die Rechnung hin.
    »Ich hoffe, ich habe deine Neugierde befriedigt«, sagte Jacky.
    »Ich danke dir. Ich werde es dir nie vergessen.«
    »Wenn du mich das nächste Mal auf der Straße siehst, geh einfach vorbei.«
    »Wenn du es so möchtest.«
    Sie stand auf. »Lass uns getrennt gehen. Ich fühle mich besser dabei.«
    »Wie du willst.«
    »Alles Gute, Greg.«
    »Dir auch.«
    »Vergiss nicht, der Kellnerin ein Trinkgeld zu geben«, sagte Jacky und ging davon.

K A P I T E L  1 0
    1941 (III)
    Im Oktober fiel und schmolz der Schnee, und die Straßen von Moskau waren kalt und feucht. Wolodja suchte gerade im Schrank nach seinen Walenki, den traditionellen Filzstiefeln, die den Moskowitern im Winter die Füße wärmten, als er sechs Kisten Wodka entdeckte.
    Seine Eltern waren keine starken Trinker. Sie tranken selten mehr als ein Gläschen. Dann und wann ging sein Vater mit den alten Genossen zu einem ausgiebigen, wodkaseligen Abendessen bei Stalin und kehrte

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