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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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den Gesetzesentwurf am Nachmittag persönlich einbringen.
    Um kurz vor eins machten Lloyd und Walter sich auf den Weg zum Klub. »Heinrich von Kessel war überrascht, dass Sie Mitglied im Herrenklub sind«, sagte Lloyd.
    Walter nickte. »Ich war sozusagen einer der Gründer. Damals hieß er noch Juniklub. Wir hatten uns aus Protest gegen den Abschluss des Versailler Vertrages zusammengeschlossen. Später sind die meisten, darunter auch ich, in den Deutschen Herrenklub übergewechselt. Mittlerweile ist dieser Klub zu einer Bastion der Rechten geworden. Vermutlich bin ich der einzige Sozialdemokrat, der übrig ist. Aber ich bleibe Mitglied.«
    »Warum?«
    Walter lächelte. »Gibt es eine bessere Möglichkeit, den Feind auf neutralem Boden zu treffen?«
    Im Klub angekommen, deutete Walter auf einen schneidig aussehenden Mann an der Bar. »Das ist Ludwig Franck, der Vater des jungen Werner, der in der Volksbühne auf unserer Seite gekämpft hat. Ich bin sicher, dass er hier kein Mitglied ist. Er ist nicht einmal gebürtiger Deutscher. Wahrscheinlich isst er mit seinem Schwiegervater zu Mittag, Freiherr von der Helbard, dem älteren Mann neben ihm. Komm mit.«
    Sie gingen zur Bar. Nachdem sie einander vorgestellt hatten, sagte Franck zu Lloyd: »Sie und mein Sohn Werner sind da vor ein paar Wochen in eine ziemliche Rauferei geraten.«
    Lloyd strich sich instinktiv über den Hinterkopf. Die Schwellung war inzwischen abgeklungen, doch die Stelle schmerzte bei Berührung immer noch. »Wir mussten Frauen beschützen«, rechtfertigte er sich.
    »Gegen eine kleine Saalschlacht ist nichts einzuwenden«, erklärte Franck. »Das tut euch jungen Burschen ganz gut.«
    Ungeduldig warf Walter ein: »Jetzt komm aber, Ludi! Wahlkampfveranstaltungen zu stürmen ist schlimm genug, aber euer Führer will die Demokratie vernichten.«
    »Vielleicht ist die Demokratie nicht die richtige Regierungsform für uns«, erwiderte Franck. »Schließlich sind wir nicht wie die Franzosen oder Amerikaner – Gott sei Dank.«
    »Jetzt mal im Ernst, Ludi. Ist es dir wirklich egal, wenn du deine Freiheit verlierst?«
    Schlagartig verflog Francks scherzhafte Art. »Also gut«, sagte er kalt. »Dann will ich mal ernst sein, wenn du darauf bestehst. Meine Mutter und ich sind vor über zehn Jahren aus Russland hierhergekommen. Mein Vater durfte nicht mit. Man hatte subversive Literatur bei ihm entdeckt.«
    »Was darf ich darunter verstehen?«, fragte Walter.
    »Defoes Robinson Crusoe .«
    »Du machst Witze.«
    »Keineswegs. Für die Kommunisten ist Robinson offenbar ein Roman, der den bourgeoisen Individualismus propagiert, was immer das sein mag. Mein Vater wurde in ein Arbeitslager nach Sibirien geschickt, und vielleicht …« Franck brach die Stimme. Er hielt inne, schluckte und beendete den Satz beinahe flüsternd: »Vielleicht ist er noch immer dort.«
    Nach einem Moment betretenen Schweigens sagte Walter: »Wir alle hassen die Bolschewiken, Ludi, aber die Nazis könnten sich als noch schlimmer erweisen.«
    »Das Risiko gehe ich ein«, erwiderte Franck.
    »Nun denn«, meldete Freiherr von der Helbard sich zu Wort, »wir sollten jetzt zum Essen gehen, ich habe heute Nachmittag noch einen Termin. Wenn Sie uns bitte entschuldigen würden.« Die beiden Männer gingen.
    »Das höre ich jedes Mal!«, schimpfte Walter. »Die Bolschewiken! Als wären sie die einzige Alternative zu den Nazis. Es ist zum Heulen.«
    Kurz darauf erschien Heinrich von Kessel mit einem älteren Herrn, bei dem es sich offensichtlich um seinen Vater handelte. Beide Männer besaßen das gleiche dichte, dunkle Haar, das sie sauber gescheitelt trugen. Auch ihre Gesichter ähnelten einander. Gottfried allerdings war kleiner, und in seinem Haar zeigten sich erste graue Strähnen. Er wirkte wie ein Bürokrat, während sein Sohn eher den Eindruck eines Poeten als den eines politischen Assistenten erweckte.
    Die vier Männer begaben sich in den Speisesaal. Walter verschwendete keine Zeit. Kaum hatten sie bestellt, sagte er: »Ich verstehe beim besten Willen nicht, was deine Partei sich davon erhofft, wenn sie das Ermächtigungsgesetz unterstützt, Gottfried.«
    Von Kessel war ebenso direkt. »Wir sind eine katholische Partei. Es ist unsere höchste Pflicht, die Kirche in Deutschland zu schützen. Darauf setzen die Menschen, wenn sie uns ihre Stimme geben.«
    Lloyd runzelte missbilligend die Stirn. Seine Mutter war ebenfalls Parlamentsabgeordnete gewesen, aber sie hatte stets die Meinung

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