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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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einem klaren Bach dicht unterhalb der Schneegrenze befahl Lloyd den anderen, die Feldflaschen aufzufüllen.
    Als die Nacht hereinbrach, gingen sie weiter. Die Leute schlafen zu lassen war gefährlich; sie konnten erfrieren. Sie waren müde, und sie stolperten und rutschten auf den eisigen Felsen aus. Dass sie immer langsamer vorankamen, war unausweichlich. Und Lloyd durfte nicht zulassen, dass die Reihe sich dehnte: Nachzügler konnten vom Weg abkommen, und es gab steile Schluchten, in die Unvorsichtige leicht hineinstürzen konnten. Bisher jedoch hatte Lloyd noch nie jemanden verloren.
    Viele Flüchtige waren Offiziere, und an diesem Punkt begehrten sie manchmal gegen Lloyd auf und erhoben Einwände, wenn er ihnen befahl, weiterzumarschieren. Lloyd war zum Major befördert worden, damit er größere Autorität besaß.
    Mitten in der Nacht, als die Moral der Leute am Tiefpunkt war, verkündete Lloyd: »Ihr seid jetzt im neutralen Spanien!«, was verhaltenen Jubel auslöste. In Wahrheit wusste Lloyd nicht, wo genau die Grenze verlief; er machte die Bekanntgabe immer dann, wenn die Flüchtigen eine Ermutigung am dringendsten brauchten.
    Als der Morgen graute, hob sich die Stimmung. Sie hatten noch eine ziemliche Strecke vor sich, doch der Weg führte nun bergab, und ihre kalten Glieder erwärmten sich allmählich.
    Bei Sonnenaufgang umgingen sie eine kleine Stadt mit staubfarbener Kirche auf der Kuppe eines Berges. Gleich dahinter gelangten sie zu einer großen Scheune neben der Straße, in der ein grüner Ford-Pritschenwagen mit einer schmutzigen Drillichplane stand. Das Fahrzeug war groß genug, um die ganze Gruppe zu befördern. Am Lenkrad saß Captain Silva, ein Engländer mittleren Alters spanischer Herkunft, der Lloyd unterstellt war.
    Zu Lloyds Überraschung wartete neben dem Lkw Major Lowther, der die nachrichtendienstliche Schulung auf Tŷ Gwyn geleitet und Lloyds Freundschaft zu Daisy hochnäsig missbilligt hatte – oder vielleicht nur neidisch darauf gewesen war.
    Lloyd wusste, dass man Lowthie zur britischen Botschaft in Madrid abkommandiert hatte. Wahrscheinlich arbeitete er jetzt für den MI 6, den britischen Auslandsgeheimdienst, doch Lloyd hätte nicht erwartet, ihn so weit außerhalb der spanischen Hauptstadt anzutreffen.
    Lowther trug einen teuren weißen Flanellanzug, der jedoch zerknittert und schmuddlig war. In Besitzerpose stand er neben dem Lastwagen. »Ich übernehme ab hier, Williams«, sagte er und ließ den Blick über die Flüchtigen schweifen. »Wer von Ihnen ist Watermill?«
    Watermill hätte ein echter Name, aber auch ein Code sein können.
    Der geheimnisvolle Engländer trat vor und schüttelte Lowther die Hand.
    »Ich bin Major Lowther. Ich bringe Sie auf schnellstem Weg nach Madrid.« Er wandte sich wieder Lloyd zu. »Ich fürchte, Ihre Gruppe muss zum nächsten Bahnhof weitermarschieren.«
    »Nicht so schnell«, erwiderte Lloyd. »Dieser Lkw gehört meiner Organisation.« Er hatte ihn von dem Budget gekauft, das ihm die Abteilung MI 9 des britischen Geheimdienstes zur Verfügung stellte, die entflohenen Gefangenen half. »Und der Fahrer ist mir unterstellt.«
    »Nichts zu machen«, entgegnete Lowther. »Watermill hat Priorität.«
    Typisch. Der Auslandsgeheimdienst glaubte immer, Priorität zu haben. »Dem kann ich nicht zustimmen«, sagte Lloyd. »Ich sehe keinen Grund, weshalb wir nicht wie geplant alle mit dem Lkw nach Barcelona fahren sollten. Von dort aus können Sie Watermill mit dem Zug nach Madrid bringen.«
    »Ich habe Sie nicht um Ihre Meinung gebeten, Jungchen. Tun Sie einfach, was man Ihnen sagt.«
    Watermill warf in verbindlichem Ton ein: »Ich bin gern bereit, den Lkw zu teilen.«
    »Überlassen Sie das bitte mir«, versetzte Lowther.
    »Diese Leute haben gerade zu Fuß die Pyrenäen überquert«, sagte Lloyd. »Sie sind fix und fertig.«
    »Dann sollten sie sich ausruhen, ehe sie weitergehen.«
    Lloyd schüttelte den Kopf. »Zu gefährlich. Die Stadt auf dem Berg hat einen Bürgermeister, der mit uns sympathisiert – deshalb treffen wir uns hier. Im Tal herrscht ein anderes politisches Klima. Die Nazis haben dort überall Spitzel, und die spanische Polizei steht zum größten Teil auf ihrer Seite. Meine Gruppe wäre in ernsthafter Gefahr, verhaftet zu werden, weil sie illegal ins Land eingereist ist. Und Sie wissen, wie schwierig es ist, jemanden aus Francos Gefängnissen herauszubekommen, selbst einen Unschuldigen.«
    »Ich werde meine Zeit nicht damit verschwenden,

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