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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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breit.«
    »In einen Pub will ich sowieso nicht«, sagte Daisy. »Ich möchte einen Martini, und in Pubs weiß niemand, wie man einen macht.« Sie sprach aus Erfahrung. Im King’s Head in Chelsea hatte sie einen trockenen Martini bestellt, und man hatte ihr ein Glas widerlich warmen Wermut serviert. »Gehen wir ins Hotel Claridge. Das ist zu Fuß nur fünf Minuten von hier.«
    »Gute Idee.«
    Die Speisen unterlagen zwar den Sparbestimmungen wie in allen Restaurants, doch im Claridge hatte man ein Schlupfloch gefunden: Essen zu verschenken war nicht verboten, also bot man ein kostenloses Büfett an und verlangte nur die üblichen hohen Getränkepreise.
    Daisy und Boy setzten sich und nippten an den ausgezeichneten Cocktails. Daisy fühlte sich zunehmend besser, auch wenn sie nicht mehr so unbeschwert war wie früher. Sie war ernster und nachdenklicher geworden. Früher hatte sie nach dem Motto gelebt: »Morgen ist auch noch ein Tag.« So war sie nicht mehr. Vielleicht wurde sie erwachsen.
    »Der Doktor hat mich gefragt, ob ich Mumps gehabt hätte«, sagte Boy.
    »Hattest du.« Eigentlich war es eine Kinderkrankheit, aber Boy hatte sie erst vor zwei Jahren bekommen. Er war kurzzeitig in einem Pfarrhaus in East Anglia einquartiert gewesen und hatte sich bei den drei kleinen Söhnen des Pfarrers angesteckt. Die Krankheit war sehr schmerzhaft verlaufen. »Hat der Arzt gesagt, warum?«
    »Nein. Du weißt ja, wie Ärzte sind. Sie rücken nie so richtig mit der Sprache raus.«
    Boy bestellte gerade seinen zweiten Cocktail, als Daisy zur Tür schaute und der Marquess von Lowther hereinkam. Er trug eine zerknitterte, fleckige Uniform.
    Daisy mochte den Mann nicht. Seit er wusste, dass irgendetwas sie mit Lloyd verband, behandelte er sie mit einer widerwärtigen Aufdringlichkeit, als teilten sie ein Geheimnis, das sie zu Vertrauten machte.
    Jetzt setzte er sich ungebeten zu ihnen an den Tisch, ließ Zigarrenasche auf seine kakifarbene Uniformhose fallen und bestellte sich einen Manhattan.
    Daisy erkannte sofort, dass er nichts Gutes im Schilde führte. In seinen Augen stand ein Ausdruck, der nicht allein mit der Vorfreude auf einen Cocktail zu erklären war.
    »Ich habe Sie seit ungefähr einem Jahr nicht mehr gesehen, Lowthie«, sagte Boy. »Wo sind Sie gewesen?«
    »In Madrid«, antwortete Lowther. »Kann aber nicht viel dazu sagen. Pst-pst, Sie verstehen. Und Sie?«
    »Ich bilde meist Piloten aus, aber in letzter Zeit bin ich auch wieder Einsätze geflogen, nachdem wir die Bombardierung Deutschlands ausweiten.«
    »Eine gute Sache, dass wir den Krauts ihre eigene Medizin zu schmecken geben.«
    »Finden Sie? Unter den Piloten wird viel gemurrt.«
    »Wieso?«
    »Weil das Gerede, wir würden militärische Ziele angreifen, völliger Blödsinn ist. Deutsche Fabriken zu zerbomben hat keinen Sinn; die Deutschen bauen sie einfach wieder auf. Deshalb bombardieren wir die großen Arbeitersiedlungen. Tote Arbeiter können sie nicht so schnell ersetzen.«
    Lowther starrte ihn entsetzt an. »Das würde bedeuten, wir töten vorsätzlich Zivilisten.«
    »Genau.«
    »Aber die Regierung versichert uns …«
    »Die Regierung lügt«, fiel Boy ihm ins Wort. »Und die Bomberbesatzungen wissen das. Viele von ihnen geben nichts darum, aber einige fühlen sich mies. Wenn wir das Richtige tun, finden sie, sollten wir es offen aussprechen, und wenn wir das Falsche tun, sollten wir damit aufhören.«
    Lowther schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen. »Ich weiß nicht, ob wir hier über so etwas reden sollten.«
    »Da haben Sie vermutlich recht.«
    Die zweite Runde Cocktails kam. Lowther wandte sich Daisy zu. »Und was ist mit Ihnen? Sie leisten sicher auch Kriegsarbeit, nicht wahr? Müßiggang ist aller Laster Anfang, sagt man.«
    Daisy antwortete in unverbindlichem Tonfall. »Ich arbeite für das amerikanische Rote Kreuz. Jetzt, wo der Blitz vorüber ist, braucht man keine Krankenfahrerinnen mehr. Wir haben eine Geschäftsstelle auf der Pall Mall und tun, was wir können, um US -Soldaten in unserem Land zu helfen.«
    »Einsame Männer, die ein bisschen weibliche Gesellschaft suchen?«
    »Vielleicht. Aber die meisten haben Heimweh. Sie hören gern jemanden mit amerikanischem Akzent.«
    Lowthie grinste anzüglich. »Ich nehme an, Sie verstehen sich gut darauf, die Männer zu trösten.«
    »Ich tue, was ich kann.«
    »Darauf würde ich wetten.«
    »Sind Sie angetrunken, Lowthie?«, fragte Boy. »Dieses Gerede ist schlechter Stil.«
    Lowther

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