Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
rauschhafter Liebe bekommen, dann ergreifen Sie sie mit beiden Händen, und zum Teufel mit den Konsequenzen.«
»Wow«, sagte Daisy.
Ein paar Minuten später ging sie. Sie fühlte sich geehrt, dass Ethel ihr einen kurzen Blick in ihre Seele gewährt hatte. Doch als sie in ihre leere Wohnung kam, war sie niedergeschlagen. Sie machte sich einen Cocktail, goss ihn dann aber weg. Sie setzte den Teekessel auf und nahm ihn wieder vom Herd. Nicht einmal dasRadio lief. Daisy ging ins Bett, lag zwischen den kühlen Laken und wünschte, Lloyd wäre bei ihr.
Sie verglich Lloyds Familie mit ihrer eigenen. Beide hatten eine bewegte Geschichte, doch Ethel hatte aus ungünstigen Ausgangsmaterialien eine starke, solidarische Gemeinschaft geschmiedet, wozu Daisys Mutter nicht fähig gewesen war – auch wenn es mehr an Daisys Vater gelegen hatte. Ethel war eine bemerkenswerte Frau, und Lloyd hatte viele ihrer Vorzüge geerbt.
Wo war er jetzt nur, und was tat er? Wie immer die Antwort lautete, mit Sicherheit schwebte er in Gefahr. War er vielleicht schon tot, wo sie jetzt endlich die Freiheit hatte, ihn ohne Hemmungen zu lieben, vielleicht sogar zu heiraten? Was würde sie tun, wenn er starb? Dann wäre ihr Leben zu Ende, das spürte sie: kein Ehemann, kein Geliebter, keine Freunde, kein Heimatland.
In den frühen Morgenstunden weinte Daisy sich in den Schlaf.
Am nächsten Tag schlief sie lange. Gegen Mittag trank sie in ihrem kleinen Esszimmer Kaffee, in einen schwarzen Morgenmantel aus Seide gehüllt, als ihr fünfzehnjähriges Dienstmädchen hereinkam und sagte: »Major Williams möchte Mylady sprechen.«
»Was?« , schrie Daisy auf. »Das gibt’s doch nicht!«
Dann kam er durch die Tür, einen Kleidersack über der Schulter.
Er sah müde aus und trug einen Mehrtagebart, und er hatte unübersehbar in seiner Uniform geschlafen.
Daisy schloss ihn in die Arme und küsste sein stachliges Gesicht. Er erwiderte die Küsse, wenn auch ein wenig unbeholfen, weil er immerzu grinsen musste. »Ich stinke wie ein Iltis«, sagte er. »Ich habe seit einer Woche die Kleidung nicht gewechselt.«
»Du riechst wie eine Käserei«, sagte Daisy. »Aber ich mag den Geruch.« Sie zog ihn ins Bad und kleidete ihn aus.
»Ich dusche mich rasch«, sagte er.
»Nein.« Sie drängte ihn zurück auf ihr Bett. »Ich hab’s zu eilig.« Ihr Verlangen nach ihm war überwältigend. Und sie genoss seinen Geruch tatsächlich. Eigentlich hätte er sie abstoßen sollen, doch er hatte die entgegengesetzte Wirkung. Meine Güte, dies hier war Lloyd, der Mann, von dem sie hatte befürchten müssen, dass er tot war – und nun füllte sein Geruch ihre Nase und ihre Lunge. Sie hätte vor Freude weinen können.
Hätte sie ihm die Hose ausziehen wollen, hätte sie vorher Schuheund Gamaschen entfernen müssen, und sie sah gleich, dass das kompliziert war, also machte sie sich gar nicht erst die Mühe. Sie öffnete nur seinen Hosenschlitz. Dann warf sie den schwarzen Bademantel ab und hob ihr Nachthemd bis zu den Hüften, ohne den lustvollen Blick von seinem weißen Glied zu nehmen, das aus dem groben Kakistoff ragte. Sie setzte sich rittlings auf ihn, ließ sich herunter, beugte sich vor und küsste ihn. »O Gott«, stöhnte sie, »ich kann dir gar nicht sagen … wie sehr ich mich … nach dir gesehnt habe.«
Er nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und blickte sie an. »Das hier ist Wirklichkeit, oder?«, fragte er. »Das ist nicht nur wieder ein Traum?«
»Wirklichkeit …«, stöhnte sie.
»Gut. Ich will jetzt nämlich auf keinen Fall aufwachen.«
»Ich möchte auch immer so bleiben …«
»Netter Gedanke, aber ich kann nicht mehr stillhalten.« Er begann sich unter ihr zu bewegen.
»Wenn du das tust, komme ich«, sagte sie.
Und sie kam.
Danach lagen sie lange nebeneinander und redeten. Lloyd hatte zwei Wochen Urlaub. »Zieh hier ein«, sagte Daisy. »Du kannst deine Eltern jeden Tag besuchen, aber nachts will ich dich für mich haben.«
»Ich möchte nicht, dass du in schlechten Ruf gerätst.«
»Dieser Zug ist längst abgefahren. Die Londoner Gesellschaft hat mich bereits geächtet.«
»Ich weiß.« Er hatte von Waterloo Station aus seine Mutter angerufen, und sie hatte ihm von der Trennung erzählt und ihm Daisys neue Adresse gegeben.
»Wir müssen uns um Verhütung kümmern«, sagte er. »Ich besorge Überzieher, aber du solltest dir etwas einsetzen lassen. Was hältst du davon?«
»Du möchtest sicher sein, dass ich nicht schwanger werde?«,
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