Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
hier ist Sergeant Donegan.« Donegan war ein hünenhafter Marineinfanterist und wirkte hart wie ein Gewehrkolben.
Chuck stand auf. »Schön, Sie kennenzulernen, Sergeant. Ich bin Chief Petty Officer Dewar.«
Chuck und Eddie waren beide zu Bootsleuten befördert worden. Jetzt, wo Tausende von Wehrpflichtigen zum US -Militär strömten, gab es einen Mangel an Offizieren, und Mannschaftsdienstgrade aus der Vorkriegszeit, die wussten, wo es langging, stiegen rasch zu Unteroffizieren auf. Chuck und Eddie durften nun außerhalb des Stützpunkts wohnen und hatten sich gemeinsam eine kleine Wohnung gemietet.
Chuck streckte die Hand aus, doch Donegan ignorierte sie.
Leck mich, dachte Chuck und setzte sich wieder. Er stand im Dienstgrad über einem Sergeant und hatte nicht die Absicht, sich mit einem Rüpel anzulegen.
»Was kann ich für Sie tun, Captain?«, wandte er sich an Vandermeier.
In der Navy konnte ein höherer Offizier, ein Captain beispielsweise, jedem Unteroffizier das Leben zur Hölle machen, und Vandermeier kannte sämtliche Tricks und Schliche, was das betraf: Er stellte die Dienstpläne so auf, dass Chuck und Eddie niemals gleichzeitig einen freien Tag hatten. Er bewertete ihre Berichteals »ausreichend«, obwohl er genau wusste, dass jede Bewertung, die schlechter war als »ausgezeichnet«, als Tadel galt. Er schickte der Zahlmeisterei verwirrende Schreiben, die dazu führten, dass Chuck und Eddie zu spät oder zu niedrig bezahlt wurden und dass es Stunden dauerte, bis sie alles zurechtgerückt hatten. Vandermeier war ein echter Plagegeist. Und jetzt hatte er sich eine neue Schikane ausgedacht.
Donegan zog ein schmutziges Blatt Papier aus der Tasche, entfaltete es und knallte es auf den Tisch. »Ist das Ihre Arbeit?«
Chuck nahm das Blatt, auf dem eine Karte von New Georgia zu sehen war, einer Südseeinsel, die zu den Salomonen gehörte. »Lassen Sie mich mal sehen …«, sagte er. Er wusste, dass die Karte von ihm stammte, aber er wollte Zeit gewinnen.
Er ging zu einem Aktenschrank, zog eine Schublade heraus und suchte darin. Schließlich brachte er die Akte über New Georgia zum Vorschein und drückte die Schublade mit dem Knie wieder zu. Er ging zum Schreibtisch zurück, setzte sich und schlug die Akte auf. Sie enthielt ein Duplikat von Donegans Karte. »Ja«, sagte Chuck. »Das ist meine Arbeit. Wieso?«
»Sie ist Scheiße«, sagte Donegan.
»Ach ja?«
»Sehen Sie mal hier.« Er tippte mit dem Finger auf die Karte. »Sie haben eingezeichnet, dass der Dschungel bis ans Meer reicht. In Wirklichkeit ist da ein Strand von einer Viertelmeile Breite.«
»Tut mir leid.«
»Es tut ihm leid!« Donegan hatte ungefähr die gleiche Menge Bier getrunken wie Vandermeier, und seine Streitlust war ihm anzumerken. »Fünfzig Mann aus unserer Kompanie sind an diesem beschissenen Strand verreckt!«
Vandermeier rülpste. »Wie konnten Sie einen solchen Fehler begehen, Dewar?«
Chuck war erschüttert. Wenn er einen Fehler zu verantworten hatte, durch den fünfzig Mann umgekommen waren, dann verdiente er es, zusammengestaucht zu werden. »Hier, schauen Sie«, sagte er. »Mehr hatten wir nicht über New Georgia.« Er blätterte um. Die Akte enthielt eine ungenaue Karte des Archipels, die vermutlich aus viktorianischer Zeit stammte, sowie eine neuere Seekarte, auf der die Meerestiefen verzeichnet waren, aber kaumLandmerkmale. Spähtruppberichte oder entschlüsselte japanische Funkmeldungen gab es auch nicht. In der Akte lag nur noch eine unscharfe Schwarz-Weiß-Aufnahme, die ein Aufklärungsflugzeug geschossen hatte.
Chuck legte den Finger auf die entscheidende Stelle auf dem Foto und sagte: »Hier sieht es auf jeden Fall so aus, als würden die Bäume bis ans Wasser reichen. Vielleicht war Flut. Wenn nicht, könnte der Sand zu dem Zeitpunkt, als das Foto aufgenommen wurde, mit Algen bedeckt gewesen sein. Algen können sehr plötzlich blühen und genauso schnell wieder absterben.«
»Sie würden das nicht so gottverdammt beiläufig abtun, wenn Sie sich durchs Gelände kämpfen müssten«, sagte Donegan.
Vielleicht hat er recht, überlegte Chuck. Donegan war aggressiv und grob, und Vandermeier in seiner Boshaftigkeit hatte ihn angestachelt, aber das hieß noch lange nicht, dass der Sergeant sich irrte.
»Ja, Dewar«, sagte Vandermeier. »Vielleicht sollten Sie und Ihr schwuchteliger Freund die Marines beim nächsten Sturmangriff begleiten und sich mal ansehen, wie nützlich Ihre Karten im Gefecht sind.«
Chuck
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