Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
legte sich eine schlagfertige Erwiderung zurecht, als ihm ein Gedanke kam. Vielleicht sollte er wirklich ein Gefecht miterleben. Vandermeier hatte nicht ganz unrecht: Es war einfach, sich blasiert zu geben, wenn man hinter einem Schreibtisch saß. Donegans Beschwerde verdiente es, ernst genommen zu werden. Andererseits bedeutete die Teilnahme an einer Landeoperation, dass Chuck sein Leben riskierte.
Er blickte Vandermeier an. »In Ordnung, Captain«, sagte er. »Ich melde mich freiwillig.«
Donegan musterte ihn erstaunt, als wäre ihm soeben der Gedanke gekommen, er könne die Situation falsch eingeschätzt haben.
Eddie ergriff zum ersten Mal das Wort. »Ich komme ebenfalls mit.«
»Gut«, sagte Vandermeier. »Ihr kommt entweder klüger zurück – oder gar nicht.«
Es gelang Wolodja einfach nicht, Woody Dewar betrunken zu machen.
An einem Tisch in der Bar des Hotels Moskwa schob er dem jungen Amerikaner ein Glas Wodka hin und sagte in seinem Schulbuchenglisch: »Den werden Sie mögen – das ist der beste.«
»Vielen Dank«, sagte Woody. »Nett von Ihnen.« Aber er rührte das Glas nicht an.
Woody war groß und schlaksig und wirkte ehrlich bis an die Grenze zur Naivität; deshalb hatte Wolodja ihn sich als Ziel ausgesucht.
Über den Dolmetscher fragte Woody: »Ist Peschkow ein häufiger Name in Russland?«
»Nicht besonders«, antwortete Wolodja auf Russisch.
»Ich komme aus Buffalo. Da gibt es einen bekannten Geschäftsmann namens Lev Peshkov. Sind Sie mit ihm verwandt?«
Wolodja war erstaunt. Der Bruder seines Vaters hatte Lew geheißen und war vor dem Ersten Weltkrieg nach Buffalo ausgewandert, aber in solchen Dingen war Vorsicht geboten. »Da muss ich meinen Vater fragen«, sagte er ausweichend.
»Ich bin mit Lev Peshkovs Sohn Greg in Harvard gewesen. Er könnte Ihr Cousin sein.«
»Möglich.« Wolodja blickte nervös zu den Polizeispitzeln am Tisch. Woody schien nicht zu wissen, dass jede Verbindung zu einem Amerikaner einen Sowjetbürger in Verdacht bringen konnte. »Trinken Sie, Woody. In diesem Land wird es als Beleidigung betrachtet, einen Drink abzulehnen.«
Woody lächelte freundlich. »In Amerika nicht.«
Wolodja hob sein Glas und ließ den Blick über die Geheimpolizisten schweifen, die am Tisch saßen und sich als Staatsdiener und Diplomaten ausgaben. »Trinken wir auf die Freundschaft zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion!«
Die anderen, auch Woody, hoben ihre Gläser. »Auf die Freundschaft!«, riefen alle und tranken.
Woody setzte sein Glas wieder ab, ohne daran genippt zu haben.
Wolodja kam der Verdacht, dass der Mann nicht so naiv war, wie es den Anschein hatte.
Woody beugte sich über den Tisch. »Hören Sie, Wolodja«, sagte er, »ich weiß keine Geheimnisse. Ich bin ein zu kleines Licht.«
»Das gilt auch für mich«, erwiderte Wolodja, obwohl es weit von der Wahrheit entfernt war.
»Sie können mir gern Fragen stellen«, fügte Woody hinzu. »Wenn ich die Antworten weiß, gebe ich sie Ihnen, weil ich kein Geheimnisträger bin. Ich kann Ihnen keine brisanten Dinge verraten, selbst wenn ich es wollte. Es bringt also nichts, wenn Sie versuchen, mich betrunken zu machen oder mir Prostituierte aufs Zimmer schicken. Fragen Sie mich einfach. Nur zu.«
Das ist ein Trick , sagte sich Wolodja. So unschuldig kann niemand sein. Doch er beschloss, auf Woodys Vorschlag einzugehen. Wieso auch nicht? »Also gut. Ich möchte wissen, was Sie hier wollen. Nicht Sie persönlich, versteht sich, sondern Ihre Delegation, Ihr Minister und Präsident Roosevelt. Was erwarten Sie sich von dieser Konferenz?«
»Wir möchten, dass Sie sich hinter den Viermächtepakt stellen.«
Das war die offizielle Antwort; deshalb hakte Wolodja nach. »Gerade das verstehen wir eben nicht.« Er war offen, vielleicht offener, als er sein sollte, doch sein Instinkt riet ihm, dieses Risiko einzugehen. »Wen interessiert schon ein Abkommen mit China? Wir müssen die Faschisten in Europa besiegen. Wir wollen, dass Sie uns dabei helfen.«
»Das werden wir.«
»Das sagen Sie. Sie haben aber auch gesagt, dass diesen Sommer Ihre Invasion Europas beginnt.«
»Wir stehen bereits in Italien.«
»Das reicht aber nicht als zweite Front.«
»Frankreich kommt im nächsten Jahr. Das haben wir versprochen.«
»Warum brauchen Sie dann dieses Abkommen?«
»Nun ja …« Woody hielt inne und sammelte seine Gedanken. »Wir müssen dem amerikanischen Volk zeigen, dass die Invasion in Europa seinen Interessen
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