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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Deutschen bewaffnet war, entspannten sie sich. Sie stapften durch das Kirchenschiff und nahmen den Verwundeten und Sanitätern Uhren und Ringe ab. Dann verschwanden sie wieder.
    Erik fragte sich, was als Nächstes geschehen würde. Es war das erste Mal, dass er hinter den feindlichen Linien festsaß. Sollten sie den Verbandplatz aufgeben und versuchen, den Kontakt zur Truppe wiederherzustellen, auch wenn sie auf dem Rückzug war? Oder waren ihre Patienten hier sicherer?
    Dr. Weiss nahm allen die Entscheidung ab. »Macht mit der Arbeit weiter«, befahl er.
    Ein paar Minuten später kam ein sowjetischer Soldat zu ihnen, der einen Kameraden über der Schulter trug. Er richtete sein Gewehr auf Dr. Weiss und redete auf Russisch auf ihn ein. Der verwundete Mann war blutüberströmt, und sein Freund war erkennbar in Panik.
    Weiss antwortete ihm ruhig. In stockendem Russisch sagte er: »Kein Grund für Waffe. Leg Freund auf Tisch.«
    Der Soldat tat, wie ihm geheißen, und die Deutschen machten sich an die Arbeit. Dabei hielt der Russe ständig die Waffe auf Weiss gerichtet.
    Später an diesem Tag wurden die deutschen Patienten hinausgetragen und auf einen Lkw verladen, der in Richtung Osten fuhr. Erik schaute zu, wie Werner Franck als Kriegsgefangener abtransportiert wurde. Als Junge hatte Erik oft die Geschichte seines Onkels Robert gehört, der im Ersten Weltkrieg in russische Gefangenschaft geraten war und sich von Sibirien zu Fuß bis nachHause durchgeschlagen hatte – eine Reise von mehreren tausend Kilometern.
    Erik fragte sich, wo Werner wohl landen würde.
    Weitere verwundete Russen wurden gebracht. Die Deutschen kümmerten sich um sie, wie sie sich auch um ihre eigenen Leute gekümmert hätten.
    Später, als Erik erschöpft einschlief, wurde ihm bewusst, dass auch er nun ein Kriegsgefangener war.

    Während die alliierten Armeen den Ring um Berlin enger zogen, kam es auf der UN -Konferenz in San Francisco zum Streit zwischen den Siegermächten. Normalerweise wäre Woody enttäuscht, ja niedergeschlagen gewesen, aber er war mit seinen Gedanken viel mehr bei Bella Hernandez.
    Während der Invasion in der Normandie und den Kämpfen um Frankreich war sie ihm nicht aus dem Kopf gegangen, erst recht nicht während seiner Zeit im Lazarett und seiner Rekonvaleszenz. Im letzten Jahr hatte Bella Oxford verlassen, um an der Universität Berkeley ihre Doktorarbeit zu schreiben, gleich hier in San Francisco. Wahrscheinlich wohnte sie im Haus ihrer Eltern in Pacific Heights, oder sie hatte sich eine Wohnung in Campusnähe genommen.
    Dummerweise gelang es Woody nicht, sie zu erreichen.
    Seine Briefe blieben unbeantwortet. Als er die Nummer anrief, die im Telefonbuch stand, beschied ihn eine Frau mittleren Alters – Bellas Mutter, wie er vermutete – mit eisiger Höflichkeit: »Sie ist zurzeit nicht zu Hause. Kann ich ihr etwas ausrichten?«
    Bella erwiderte den Anruf nie. Vermutlich hatte sie einen festen Freund. Falls dem so war, hätte Woody es gern von ihr selbst gehört, aber vielleicht fing ihre Mutter die Post ab und unterschlug seine Anrufe.
    Wahrscheinlich sollte er aufgeben. Womöglich machte er sich zum Narren. Doch aufgeben war nicht seine Art. Er musste daran denken, wie lange und hartnäckig er um Joanne geworben hatte. Zeichnet sich da ein Muster ab, fragte er sich. Liegt es an mir?
    Währenddessen begleitete er seinen Vater jeden Morgen insPenthouse des Hotels Fairmont, wo Außenminister Edward Stettinius sich mit der amerikanischen Delegation über die jeweilige Tagesordnung der UN -Konferenz besprach. Stettinius war der Nachfolger von Cordell Hull, der im Krankenhaus lag. Die USA hatten außerdem einen neuen Präsidenten, Harry Truman, der nach dem Tod des großen Franklin D. Roosevelt vereidigt worden war. Welch ein Jammer, hatte Gus bemerkt, dass in einem solch entscheidenden Moment der Weltgeschichte die Vereinigten Staaten von zwei unerfahrenen Anfängern gelenkt wurden.
    Die Dinge hatten schlecht begonnen. Bei einer Vorbesprechung im Weißen Haus hatte Präsident Truman auf ungeschickte Weise den sowjetischen Außenminister Molotow beleidigt; deshalb war Molotow schlecht gelaunt in San Francisco eingetroffen. Er verkündete, er werde nach Hause fahren, wenn die Konferenz nicht auf der Stelle Weißrussland, die Ukraine und Polen zuließ.
    Niemand wollte, dass die UdSSR sich aus der UN zurückzog. Ohne die Sowjets wären die Vereinten Nationen keine Vereinten Nationen gewesen. Die amerikanische Delegation

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