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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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klar, dass Deutschland nicht das Geld hat, die Reparationen zu bezahlen?«
    Wolodjas Englisch hatte sich deutlich verbessert, und so konnten sie sich ohne Dolmetscher unterhalten. Er antwortete: »Wie schaffen die Deutschen es dann, ihre Leute zu ernähren und ihre Städte wieder aufzubauen?«
    »Mit unseren Dollars«, erklärte Woody. »Wir geben ein Vermögen für Hilfsmaßnahmen aus. Jede Reparationszahlung Deutschlands wäre de facto unser Geld.«
    »Und? Wäre das so verkehrt? Die Vereinigten Staaten sind im Krieg aufgeblüht, während mein Land verwüstet wurde. Vielleicht solltet ihr ja zahlen.«
    »Die amerikanischen Wähler sehen das anders.«
    »Die amerikanischen Wähler irren sich vielleicht.«
    Woody zuckte mit den Schultern. »Mag sein … aber es ist immer noch ihr Geld.«
    Da ist es wieder, dachte Wolodja, dieses Kuschen vor der öffentlichen Meinung. Das war ihm bei Gesprächen mit Woody früher schon aufgefallen. Die Amerikaner sprachen über die Wähler wie die Russen über Stalin: Man musste ihnen gehorchen, egal ob sie sich irrten oder nicht.
    Woody kurbelte das Fenster herunter. »Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich eine Stadtaufnahme mache? Das Licht ist wunderbar.« Die Kamera klickte.
    Woody wusste, dass er nur im Voraus genehmigte Motive aufnehmen durfte. Allerdings war nichts Sicherheitsrelevantes auf der Straße, nur ein paar Frauen, die Schnee schaufelten. Trotzdem sagte Wolodja: »Bitte, lassen Sie das.« Er beugte sich an Woody vorbei und kurbelte das Fenster wieder hoch. »Nur offizielle Fotos.«
    Er wollte Woody gerade bitten, ihm den Film aus der Kamera zu geben, als Woody sagte: »Erinnern Sie sich noch, dass ich mal meinen Freund Greg Peshkov erwähnt habe? Der Mann, der den gleichen Namen hat wie Sie?«
    Und ob Wolodja sich erinnerte. Willi Frunze hatte Ähnliches erwähnt. Vermutlich handelte es sich um ein und dieselbe Person.»Nein, ich erinnere mich nicht«, log Wolodja. Er wollte nichts mit einem möglichen Verwandten im Westen zu tun haben. Derartige Verbindungen konnten in Russland Ärger bedeuten.
    »Er gehört zur amerikanischen Delegation«, fuhr Woody fort. »Sie sollten mal mit ihm reden. Vielleicht sind Sie ja wirklich verwandt.«
    »Ja, das mache ich«, erwiderte Wolodja und beschloss, dem Mann um jeden Preis aus dem Weg zu gehen.
    Auch Woodys Film wollte er nicht mehr haben. Eine harmlose Straßenszene war den Aufstand nicht wert.
    Am nächsten Tag machte George Marshall, der amerikanische Außenminister, den Vorschlag, die vier Alliierten sollten die Besatzungszonen in Deutschland auflösen und das Land wiedervereinen, damit es wieder das ökonomische Herz Europas werden konnte.
    Das wollten die Sowjets am allerwenigsten.
    Molotow weigerte sich denn auch rundheraus, über Wiedervereinigung zu reden, solange die Reparationsfrage nicht geklärt war.
    Die Konferenz verlief ergebnislos.
    Und das, dachte Wolodja, war genau, was Stalin wollte.

    Die Welt der internationalen Diplomatie ist klein, überlegte Greg Peshkov. Einer der jungen Assistenten in der britischen Delegation der Moskauer Konferenz war Lloyd Williams, der Mann von Gregs Halbschwester Daisy. Zuerst gefiel Greg nicht, wie Lloyd aussah; er kleidete sich wie ein braver englischer Gentleman. Doch Greg erkannte rasch, dass Lloyd ein ganz normaler Bursche war.
    »Molotow ist ein Drecksack«, sagte Lloyd bei einem Wodka Martini in der Bar des Hotels Moskwa.
    »Und was können wir da tun?«
    »Das weiß ich nicht, aber Großbritannien kann mit diesen ständigen Verzögerungen nicht leben. Die Besatzung Deutschlands kostet Geld, das wir nicht haben, und der harte Winter hat aus dem Problem eine Krise gemacht.«
    »Weißt du was, Schwager?«, fragte Greg. »Wenn die Sowjets nicht mitspielen wollen, dann machen wir es eben ohne sie.«
    »Wie soll das gehen?«
    »Was sind unsere Ziele?« Greg zählte es an den Fingern ab. »Wir wollen Deutschland wiedervereinigen und Wahlen abhalten.«
    »Wir auch.«
    »Wir wollen die wertlose Reichsmark loswerden und eine neue Währung einführen, damit die Deutschen wieder geschäftsfähig werden.«
    »Genau.«
    »Und wir wollen das Land vor dem Kommunismus bewahren.«
    »Ebenfalls ein britisches Ziel.«
    »Im Osten erreichen wir nichts davon, weil die Sowjets nicht mit ins Boot kommen. Dann sollen sie uns doch am Arsch lecken! Wir kontrollieren drei Viertel Deutschlands – wir verwirklichen unsere Absichten in unseren Besatzungszonen, und die Ostzone soll zur Hölle

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