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Winter der Zärtlichkeit

Winter der Zärtlichkeit

Titel: Winter der Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Miller
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gelockt zu werden. Was zum Teufel hatte das denn zu bedeuten?
    „Ist das ein Rodeopferd?“, fragte Liam und wagte sich einen Schritt an Baldy heran.
    Sierra reagierte schnell und packte ihn an seiner fellbesetzten Kapuze, um ihn zurückzuziehen. Die tief stehende Wintersonne spiegelte sich auf den Brillengläsern des Kindes, sodass man seine Augen nicht sehen konnte.
    Jesse lachte. „In alten Zeiten war Baldy mal ein Rodeopferd. Die Cowboys haben vor Angst gezittert, wenn sie ihn reiten mussten. Jetzt allerdings hat er, wie du sehen kannst, seine besten Zeiten hinter sich.“
    „Und Sie sind ...?“, fragte Sierra mit kühlem Unterton. Vielleicht war sie die Eine unter tausend Frauen, die Jesse als das erkannten, was er war - eine sehr gut aussehende, freundliche Mogelpackung.
    „Dein Cousin Jesse.“
    Eingehend musterte sie seine ausgebeulten Jeans, das Arbeitshemd, die Schaffelljacke und die sehr teuren Stiefel. „Welche Linie ...?“, erkundigte sie sich dann.
    Die McKettricks sprachen so miteinander. Jeder von ihnen konnte seine Herkunft über verschiedenste Linien bis zum alten Angus zurückverfolgen. Man tat zwar gut daran, die Familie nicht als Ganzes zu beleidigen, aber davon abgesehen blieb jeder Ast des Familienstammbaums lieber unter sich.
    „Jeb“, verkündete Jesse.
    Sierra nickte.
    Liams Aufmerksamkeit war noch immer ausschließlich auf das Pferd gerichtet. „Kann ich es reiten?“
    „Klar“, antwortete Jesse.
    „Auf keinen Fall“, sagte Sierra im gleichen Moment. „Wir hatten eine lange Fahrt", fuhr sie fort. „Ich glaube, wir sollten erst einmal hineingehen.“
    „Fühlt euch ganz wie zu Hause“, lächelte Travis und deutete auf das Haus. „Um eure Taschen kümmern Jesse und ich uns.“
    Einen Moment zögerte sie. Wahrscheinlich fragte sie sich, ob sie sich damit zu etwas verpflichtete. Am Ende nickte sie. Nachdem sie Liam wieder an der Kapuze seines Mantels geschnappt hatte, drehte sie ihn vom Pferd weg und schob ihn zur Eingangstür.
    „Schade, dass wir verwandt sind“, murmelte Jesse, der Sierra mit seinem Blick verfolgte.
    „Ja, schade“, stimmte Travis ihm leise zu, obwohl er sich insgeheim mächtig darüber freute.
     
    Das Haus war zweistöckig, lang gestreckt und zu allen Seiten von einer Veranda umgeben. Auf den ersten Blick wirkte es eher praktisch und stabil als elegant. Sie verspürte einen sehnsüchtigen Stich, als ob sie viele Jahre auf einer nebligen Straße herumgeirrt wäre und der Nebel nun plötzlich aufreißen würde.
    „Diese Typen sind echte Cowboys “, strahlte Liam, als sie im Haus waren.
    Während Sierra abwesend nickte, ließ sie den alten Holzfußboden, die Doppeltüren und die steile Treppe auf der rechten Seite, die hohen Decken und die antike Standuhr, die neben der Tür laut vor sich hin tickte, auf sich wirken. Neugierig sah sie in ein geräumiges Wohnzimmer, das man früher wahrscheinlich Salon genannt hatte, und bewunderte den riesigen offenen Natursteinkamin. Abgenutzte, aber bunte Teppiche hellten die ansonsten kompromisslos männliche Einrichtung aus Ledersofa, Stuhl und Tisch aus grob bearbeitetem Kiefernholz ein wenig auf, genau wie das Klavier, das in einem Alkoven mit deckenhohen Fenstern stand.
    Ein eigenartig nostalgisches Gefühl überkam Sierra. Sie hatte noch nie einen Fuß auf Triple M gesetzt, geschweige denn das Heim von Holt und Lorelei McKettrick betreten. Doch alles wäre anders gekommen, wenn ihr Vater sie nicht an dem Tag, an dem Eve die Scheidung eingereicht hatte, entführt und nach San Miguel de Allende gebracht hätte. Sie hätte die Sommer hier verbracht, hätte Pferde geritten und Brombeeren gepflückt und wäre durch Bergflüsse gewatet, so wie Meg. Stattdessen war sie barfuß durch die Straßen von San Miguel gelaufen, ohne Erinnerung an ihre Mutter. Nur manchmal kam ihr ein schwacher Duft von teurem Parfüm bekannt vor, den sie zwischen den Touristenströmen aufschnappte, die die Märkte, Läden und Restaurants ihrer Heimatstadt bevölkerten.
    „Mom?“ Liam zerrte am Ärmel ihrer Jacke.
    Sie erwachte aus ihren Träumen und sah lächelnd zu ihm hinunter. „Bist du hungrig, Kumpel?“
    Darauf nickte er feierlich, doch als die Tür aufsprang und Travis mit zwei Koffern im Türrahmen erschien, strahlte er.
    „Es gibt genug Essen in der Küche“, erklärte er. „Soll ich das Zeug hier nach oben tragen?“
    „Ja“, erwiderte Sierra. „Danke.“ So wüsste sie wenigstens, welche Räume sie und Liam bekamen, ohne

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