Winter der Zärtlichkeit
bereits auf einer Platte im Ofen, die Küche wirkte einladend im Licht der Laternen, die Hannah anstelle des grellen Lichts der Glühbirne angezündet hatte.
„Willie ist zurück zum Haupthaus“, berichtete er. „Aber er bedankt sich herzlich für die Einladung zum Abendessen.“
Hannah wischte sich die Hände an der Schürze ab und begann, den Tisch zu decken. Das war der Moment, in dem sie das Fotoalbum bemerkte, das dort lag, als ob jemand nach kurzem Durchblättern beschlossen hätte, es sich später näher anzusehen.
Sie blieb wie angewurzelt stehen.
„Was ist los, Hannah?“, fragte Doss leicht alarmiert.
„Das Album.“
„Was ist damit?“ Doss ging zum Herd, schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und stellte sich dann neben sie.
„Willie würde doch niemals unsere Sachen durchgehen, oder?“
„Auf die Idee würde er gar nicht kommen. Und so eiskalt, wie es hier drinnen war, hat er vermutlich keinen Fuß ins Haus gesetzt, nachdem er die Hühnersuppe aufgegessen hatte, die du vor unserer Abreise gekocht hast.“
Nervös wrang Hannah die Hände, machte einen Schritt auf den Tisch zu und blieb dann stehen. „Hast du ... hast du manchmal das Gefühl, dass wir nicht allein in diesem Haus sind?“, wisperte sie.
„Nein“, erwiderte Doss mit Überzeugung in der Stimme.
„Es war schon komisch genug, dass die Teekanne sich ständig bewegt hat. Aber jetzt dieses Album ...“
„Hannah.“ Er berührte ihren Arm. „Du klingst wie Tobias, der immer behauptet, diesen Jungen in seinem Zimmer zu sehen.“
„Vielleicht“, begann Hannah, und es fiel ihr schwer, die Worte laut auszusprechen, „bildet er sich das doch nicht nur ein. Vielleicht war es nicht nur das Fieber.“
Natürlich handelte es sich um pure Einbildung, doch als Hannah sich auf den Stuhl setzte, den Doss ihr hinschob, hatte sie das Gefühl, dass das ziemlich neue und sorgfältig gehütete Album sehr alt war. Das Gefühl dauerte nur einen Moment an, war aber so übermächtig, dass sie sich mit einem Mal schwach fühlte.
„Wir stehen ganz schön unter Druck, Hannah“, versuchte Doss die Sache zu erklären. „Einer von uns muss das Album herausgenommen und es dann vergessen haben.“
Sie sah ihm ins Gesicht. „Du?“, hakte sie leise nach.
Er zögerte, dann schüttelte er den Kopf.
„Und ich weiß, dass ich es auch nicht war.“
„Dann eben Tobias.“
„Nein“, entgegnete Hannah. „Er war viel zu krank.“
Doss stellte die Kaffeetasse ab, setzte sich rittlings auf die Bank und sah sie an. „Dafür gibt es sicher eine ganz einfache Erklärung. Jemand aus den anderen Häusern ist vielleicht hier gewesen.“
So nahe sich die McKettricks auch standen, sie würden niemals unaufgefordert das Haus eines anderen betreten. Wenn einer von ihnen das Album hätte sehen wollen, hätte er danach gefragt. Außerdem waren die Tanten und Onkel sowieso alle in Phoenix. Und die Leute, die sich in der Zeit um die Häuser kümmerten, wären niemals einfach so hereingeschneit, selbst wenn sie neugierig gewesen wären, was ihr ebenfalls unwahrscheinlich erschien.
„Das Brot brennt an, wenn du es nicht aus dem Ofen nimmst“, sagte Hannah, die noch immer das Album anstarrte und regelrecht erwartete, dass es sich von selbst bewegen und durch die Luft segeln würde wie ein Geist.
Schnell stand Doss auf, um das Brot zu retten. Die Würstchen und die Soße standen ebenfalls zum Warmhalten im Ofen. Er nahm einen Teller, füllte ihn für Hannah und trug ihn zum Tisch.
„Tobias muss hungrig sein“, überlegte sie laut.
„Ich kümmere mich um ihn“, antwortete Doss. „Iss jetzt.“
Obwohl sie keinen Hunger hatte, schob Hannah das Album zur Seite und zog den Teller heran. Doss richtete einen weiteren Teller für Tobias und brachte ihn nach oben.
Als er zurückkam, setzte er sich mit seinem eigenen Teller zu Hannah an den Tisch. Sie starrte noch immer das Omelette, die Würstchen und das Brot an.
„Iss“, wiederholte er.
Sie nahm die Gabel in die Hand. „Jemand ist hier“, beharrte sie. „Jemand, den wir nicht sehen können. Jemand, der die Teekanne und das Album bewegt.“
„Nehmen wir einen Moment lang an, dass das stimmt.“ Doss schaufelte sein Essen mit einer Lust in sich hinein, um die Hannah ihn beneidete. „Was willst du dann dagegen unternehmen?“
„Ich weiß es nicht“, erwiderte sie, doch das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Denn inzwischen hatte sie eine Idee.
Nach dem Essen räumte Hannah den Tisch ab, legte
Weitere Kostenlose Bücher