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Winter der Zärtlichkeit

Winter der Zärtlichkeit

Titel: Winter der Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Miller
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geschlungen. Zitternd versuchte sie, zu verstehen, was sie da gerade gesehen hatte.
    Was zum Teufel hatte sie gerade gesehen?
    Einen Blitz.
    Eine Frau in einem altmodischen Kleid, die auf der anderen Seite von Liams Bett stand.
    Hannah?
    „Was ist los, Mom?“, fragte Liam schläfrig. Er hatte ein bisschen protestiert, als sie ihn aus der Küche nach oben getragen hatte, damit er in seinem eigenen Bett schlafen konnte.
    Noch immer bekam sie keine Luft.
    „Mom?“, drängte Liam, seine Stimme klang wacher.
    „Wir ... wir reden morgen früh darüber.“
    „Kann ich bei dir schlafen?“
    Sierra schluckte. Vor einigen Stunden war Travis zurück in seinen Wohnwagen gegangen. Sie hatte sich im Herrenzimmer ein kleines Feuer gemacht, ihre E-Mails gelesen, immer wieder nach Liam gesehen. Kurzum, sie hatte alles getan, außer das Fotoalbum zu öffnen und sich mit der langen Linie von McKettricks zu beschäftigen, von denen jeder Einzelne ihr vollkommen fremd war.
    Das Haus war leer und zugleich für ihren Geschmack viel zu überfüllt.
    „Ich werde hier bei dir schlafen. Wie findest du das?“
    „Super“, juchzte Liam.
    „Dann zieh ich mich nur schnell um.“ Sierra ging in ihr Zimmer, zog einen Jogginganzug an und ging ins Badezimmer, wo sie sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte und ihre Zähne putzte.
    Ganz alltägliche Dinge.
    Doch nach allem, was gerade geschehen war, fragte sie sich, ob irgendetwas jemals wieder „alltäglich“ sein würde.
    Liam schnarchte leise, als sie zurückkam. Sie schlüpfte neben ihn in das enge Bett, drehte sich auf ihre Seite und starrte in die Dunkelheit, bis sie schließlich einschlief.
     

1919
     
    Während Doc Willabys Neffe seine medizinische Ausrüstung einpackte, nutzte Doss die Gelegenheit, in die Kirche an der Ecke zu schlüpfen. Er hatte keinen Fuß mehr hineingesetzt, seit er und Gabe aus der Army zurückgekommen waren - er stocksteif auf seinem Sitz im Zug, Gabe in einem Kiefernsarg.
    Seitdem hatte er nichts mehr mit Gott zu tun gehabt.
    Doch nun mussten sie etwas miteinander klären.
    Doss öffnete die Tür, die immer unverschlossen war, für den Fall, dass irgendein Wanderer beten wollte oder nach Erlösung verlangte, und nahm den Hut ab. Dann ging er nach vorn zu dem schlichten Holztisch, der als Altar diente, und zündete eine der Bienenwachskerzen an.
    „Ich bin hier, um über Tobias zu sprechen“, sagte er.
    Gott antwortete nicht.
    Doss scharrte unbehaglich mit den Füßen. Sie waren so kalt von der langen Fahrt in die Stadt, dass er sie nicht mehr spürte. Kain und Abel waren ziemlich mürrisch gewesen, einmal hatten sie sich einfach geweigert weiterzugehen. Etwas später waren sie zwar problemlos über den Fluss gekommen, doch der Schlitten war ins eisige Wasser eingebrochen.
    Dort wäre Doss jetzt noch immer, nass bis auf die Knochen und steif wie gefrorene Wäsche, die an der Leine vergessen worden war, wenn ihm nicht drei von Rafes Rancharbeitern geholfen hätten. Sie hatten ihm trockene Kleidung gegeben, ihn mit Whiskey abgefüllt und den halb versunkenen Schlitten mit ihren Lassos aus dem Wasser gezogen.
    Anschließend hatte er weitere wertvolle Zeit darauf verwendet, Kain und Abel zum Weiterlaufen zu überreden. Was nicht so leicht gewesen war, am Ende hatte er sogar seine Peitsche benutzen müssen.
    Als er endlich vor dem Haus des Arztes vorgefahren war, waren die faulen Viecher so erledigt gewesen, dass sie auf keinen Fall gleich wieder zurück hätten laufen können. Also hatte er sich im Mietstall eine neue Kutsche und andere Pferde besorgt.
    Doss räusperte sich respektvoll. „Hannah darf dieses Kind nicht verlieren“, fuhr er fort. „Du hast Gabe zu Dir genommen, und nimm es mir nicht übel, wenn ich sage, dass das schon schlimm genug war. Ich schätze, was ich sagen will, ist, wenn Du noch jemanden zu Dir holen willst, dann nimm mich, nicht Tobias. Er ist erst acht und hat noch so viel vor sich. Ich weiß nicht genau, wie es da oben aussieht, aber wenn es dort Rinder gibt, könnte ich Dir eine gute Hilfe sein. Ich werde mich nützlich machen, darauf gebe ich Dir mein Wort.“ Er hielt inne, schluckte. Sein Gesicht fühlte sich heiß an, und er wusste, dass er sich wie ein verdammter Narr aufführte, aber er war verzweifelt. „So sieht der Fall von meiner Seite aus, also, Amen.“
    Danach blies er die Kerze aus - schließlich würde es nicht helfen, wenn die Kirche abbrannte - und drehte sich um.
    Am Ende des Gangs stand Doc Willaby, wegen

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