Winter in Maine
hüpfen und ans Fenster laufen, würden denselben Himmel, dieselbe Wolke sehen. Dann rennen sie zu ihren Eltern und erinnern sie daran, dass am nächsten Tag das Vogelscheuchenfest stattfindet. In sieben Wochen werden sie am Tag vor Weihnachten aufwachen und den Baum betrachten, werden überprüfen, ob er noch dasteht und erleuchtet ist und bereit für die Nacht, ob darunter genug Platz ist für den nächtlichen Besucher, der vielleicht schon ein kleines Pünktchen über den Kontinenten ist, der ewige Vater, der die Zügel hält, der jeden Schornstein und die Namen aller Kinder kennt. Ich wünschte ihnen alle erdenkliche Freude, jedem Einzelnen, und dass er ihnen etwas mitbrachte. Wenn ich ein Kind hätte, würde es natürlich gern lesen, bei all den Büchern. Aber ein Kind braucht Freunde, auch am Wochenende, deshalb würden wir oft in die Stadt fahren, ich konnte ja im Cafe warten. Sol che Gedanken wärmten mich an jenem Morgen, bis das Feuer zu lodern begann.
Ich zündete die Pfeife meines Vaters an und goss einen Schluck von dem Sherry aus dem Wandschrank in ein Kris tallglas, das für besondere Anlässe vorgesehen war. Dann ging ich an den Regalen entlang und überlegte, welches Buch ich mir an diesem Tag aussuchen sollte: Am Ende fiel mir die Entscheidung wirklich leicht. Ich zog Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte hervor. Sieben Wochen zu früh, aber geeignet, um in die richtige Stimmung zu kommen. Und vielleicht würde ich bald Besuch erhalten, von einem Mann, der eine Frage hatte, einem Mann, der ein Gewehr hatte. Dann sollte ich draußen sein.
Den Sherry auf dem Buch balancierend, schleifte ich eine Decke aus dem Schlafzimmer hinter mir her und ging nach draußen, warf die Bettdecke neben Hobbes' Grab über einen Stein, trank das Glas aus und las ungefähr eine Stunde lang, um ihm das Gefühl zu geben, das er bei mir einmal gehabt hatte. Dennoch war es ziemlich kalt, und als ich schließlich ins Haus ging, fehlte mein Freund mir bei jedem Schritt. Doch in meinem Kopf war eine Leichtigkeit, die sich vielleicht in der vorigen Nacht dort eingeschlichen hatte, die Vorstellung, dass er seinen Frieden gefunden hatte und ich ihn auch finden musste. Ich war für solchen Frieden und solche Ruhe wieder bereit.
Eine knappe Viertelstunde später, am Samstagvormittag mit meinem zweiten Sherry in der Hand, nach achtunddreißig Seiten Dickens behaglich auf dem Gartenstuhl sitzend, hörte ich, wie ein Schuss durch den Wald hallte.
40
Manche Leute schießen auf alles, was sich bewegt, auf alles, was fliegt, kriecht oder schwimmt, auf alles, was lebt, ein Fell oder Gefieder hat, groß, klein, dick oder dünn ist, auf Kragen hühner, Waldschnepfen, Truthähne, Fasane, Weißwedelhirsche, Schwarzbären, Elche, Mäuse, Ratten, Wühlmäuse, Kaninchen, Biber, Luchse, Waschbären, Kojote n, Bisamratten, Eichhörnchen, Ott er, Füchse, Nerze, Wiesel, Stinktiere oder Stachelschweine, sie tun es an schönen Tagen, das am liebsten, aber auch an nassen Tagen, an Tagen, die weder schön noch nass sind, obwohl Jäger die Kälte in der Luft mögen, den feuchten Geruch von Rinde, die Veilchen auf dem Waldboden, die im Nebel am Seeufer herumstreifenden Hirsche, all das löst in ihrem Blut eine tiefe Freude aus, und wenn es sie glücklich macht, dann soll es so sein, aber mein Vater beklagte sich oft, wenn in einer Minute fünf, sechs Schüsse fielen, und sagte, es falle ihm schwer zu lesen, wenn draußen gerade eine Breitseite abgefeuert werde. Wenigstens hörten wir nie ein Tier schreien, doch eines Tages legte mein Vater sein Buch zur Seite und ging im Wohnzimmer auf und ab, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, leicht vorgebeugt, den Blick einen Schritt vor seinen Schuhen auf den Boden gerichtet.
Er sagte: Ein Scharfschütze in der Schlacht wartet drei Stun den lang reglos auf den Augenblick, in dem er auf jemanden anlegt, der zurückschießt oder ihm die Artillerie auf den Hals hetzt, wenn er nicht trifft. Diese Leute da draußen, sagte er und deutete, ohne hinzusehen, mit dem Finger aus dem Fens ter, die schießen auf etwas, von dem sie genau wissen, wo es hinläuft und dass es nicht zurückschießt: Da muss man sich keine Sorgen machen, wenn man seinen Standort verrät oder das Mündungsfeuer und der vom Lauf aufsteigende Rauch zu sehen sind. Schlimmstenfalls trifft man nicht, oder der Schuss ist nicht tödlich, und das Tier macht sich blutend auf die Suche nach seinen Jungen.
Das waren für meinen Vater viele Worte. Er
Weitere Kostenlose Bücher