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Winter in Maine

Winter in Maine

Titel: Winter in Maine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard Donovan
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weg gewesen war und er die allein verbrachte Zeit spürte. Immer wenn er die Zähne fletschte, keinen Ton von sich gab und mit dem Schwanz wedelte, lächelte er mich an. Wie viele Leute wissen so etwas schon? Ein Hund lächelt, und sie schlagen ihn dafür.
    Ich fuhr die Main Street entlang auf die beiden Gestalten zu, die ein paar Autos weiter mitten auf der Straße neben einem Streifenwagen standen. Als ich an der Reihe war, hielt mich einer der Polizisten an, und ich sah, dass es derselbe Mann war, der mich am Morgen auf der Landstraße gestoppt hatte, doch der andere hielt ihn zurück, winkte mich weiter und starrte mich an, während ich vorbeifuhr. Ich sah, dass es Troy war, und machte keine Anstalten, ihn zu grüßen, da ich wusste, er würde den Gruß nicht erwidern, ich dachte nur an das Ge wehr, das in eine warme Decke gehüllt hinter dem Sitz lag. Ich hörte wieder Claires Frage: Was machst du, Julius?
    Vielleicht hatte sie ihm tatsächlich etwas gesagt. Aber was?
    Sie war seit vier Jahren aus meinem Leben verschwunden, was sollte sie da schon wissen? Claire wusste rein gar nichts von mir.
    Während ich an den letzten Straßen von Fort Kent vorbei in die offene Landschaft fuhr, warf ich einen Blick auf die erleuchteten Zimmer und die Menschen darin. Schon bald schneite es ununterbrochen. Es war Spätnachmittag, und auf der Straße nach St. John kam mir im Schnee ein Wagen ent gegen, dessen Scheinwerfer sich von einem Paar leuchtender Münzen zu einem blendenden Licht entwickelten, das wie Wasser auf meine Windschutzscheibe spritzte, dann das vorübergleitende Dröhnen eines Motors, und dann nichts mehr, bloß noch das blaue Band der Straße und der von Osten nach Westen kippende Himmel, das uhrwerkmäßige Flappen der Scheibenwischer. Bei meiner Rückkehr war die Hütte mit leuchtendem Pulverschnee bedeckt.
    37
    Für den Fall, dass die Polizei unterwegs war, um die Hütte zu umstellen, oder sich schon mit gezogenen Waffen im Wald befand, beschloss ich, das Licht auszulassen und auch kein Feuer anzuzünden. Ich stand im Dunkeln und sammelte mei ne Gedanken. Aber nach einer Viertelstunde spürte ich bloß noch die Kälte, meine Finger und meine Knie taten weh, und es erschien mir äußerst verlockend, ein paar Holzscheite aufzulegen und etwas Warme in meine Gelenke zu bringen. Ich schlug mit den Armen und hüpfte ein paarmal auf der Stelle, drehte die Hüften. Dann ging ich zum Fenster und berührte die Eisblumen an der Scheibe. Mein Finger klebte kurz fest, bis ich ihn behutsam wegzog. Der Holzofen, das schwarze Herz der Küche, war ohne seine Flammen eiskalt. Mein Vater hatte einmal gesagt, dass all die Bücher zur Isolierung des Hauses dienten, und jetzt spürte ich sie, aufgereiht zwischen mir und dem rauen Winter draußen, der die gewaltige weiße Stille aus Kanada in jeden Spalt des Hauses presste. Das Papier der Bücher war aus Bäumen gemacht und schützte mich genau so, wie die Worte es einmal getan hatten.
    Ich starrte auf die Blumenbeete hinaus und sagte: Jetzt friere ich genauso wie du, Hobbes.
    In der Finsternis sah ich meinen Vater vor dem Feuer sitzen, die Socken zum Ofen gestreckt und ein Buch in der Hand. Was hielt er noch in der Hand? Seine Pfeife. Wo war die? Ich überlegte und kam zu dem Schluss, dass die Polizei, wenn sie draußen wäre, inzwischen bestimmt an die Tür geklopft oder sich ohne Ankündigung Zutritt verschafft hätte. Also zündete ich ein Streichholz an und wartete, ob draußen jemand auf mich zielte und eine Kugel die Scheibe durchschlüge. Kein Schuss ertönte, und ich spürte auch keine Wunde. Mit dem brennenden Streichholz leuchtete ich in den Wandschrank, bis ich die Holzschachtel mit der englischen Pfeife meines Vaters entdeckt hatte. In den Schützengräben des Ersten Weltkriegs war der Mann, der sich als Erster eine Zigaret te anzündete, am wenigsten gefäh rdet, weil dieser Funke erst Aufmerksamkeit erregte. Der Nächste war in größerer Gefahr, weil der Scharf schütze das Licht ins Fadenkreuz nahm, doch der Dritte in der Gruppe, der sich eine Zigarette anzündete, war ein toter Mann. Nach dem dritten Strike ist man draußen.
    Auf dem Fußboden kniend, zog ich den Pfeifenkopf ab und klopfte ihn aus, füllte ihn dann mit dem englischen Tabak, der in derselben Schachtel aufbewahrt war, setzte mich und paffte im Dunkeln. Ein bisschen schal, der Rauch, aber auch ein Ver gnügen, der erste Geschmack, der Geruch, der die Gedanken schweifen ließ, und diese beiden Sinne

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