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Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Titel: Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine K. Albright
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unseren geschulten Fallschirmspringern ausgeführt wird«. 83
    Bild 15
    Jan Kubiš
    Monatelang hatte eine Eliteeinheit tschechischer und slowakischer Offiziere Einsätze in ihrer Heimat durchgeführt. Unter Anleitung der Briten wurde Fallschirmspringern beigebracht, wie man Funkgeräte bediente, schoss, kämpfte, Karten las, in der Wildnis überlebte, einem Verhör widerstand, mit Sprengstoff umging und aus Flugzeugen sprang, ohne sich zu verletzen. Sie schmuggelten Materialien ein wie Munition, Batterien, Bargeld, gefälschte Papiere und Informationen über Codes, die dem Widerstand nützlich waren. Um die Wahrscheinlichkeit einer Verhaftung zu verringern, trugen sie von Tschechen angefertigte Kleidung und wurden mit einheimischen Kosmetikartikeln, Zigaretten und sogar Streichhölzern ausgestattet. Vor der Abreise schrieben sie ihr Testament und erhielten Zyanidtabletten – in Papier versiegelt. Die Missionen der Männer, die in Gruppen von zwei oder drei Mann organisiert wurden, umfassten gelegentlich Sabotageakte, meist aber die Reparatur und den Austausch von Rundfunksendern. Die Operation Anthropoid, wie man sie nannte, hatte höhere Ziele.
    Es handelte sich um eine absolute Seltenheit in Zeiten des Krieges und des Friedens: ein gut gehütetes Geheimnis. Nur ein sehr kleiner Kreis britischer und tschechischer Vertreter war an der Planung beteiligt. Mein Vater gehörte nicht zu ihnen. Die damit
verbundenen politischen Empfindlichkeiten waren beträchtlich, die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges gering, und die Aussicht, dass die Fallschirmspringer überleben würden, gleich Null. Selbst bei Routineoperationen wurden die ausgesandten Soldaten häufig binnen weniger Tage oder Wochen gefasst. Bei dieser Mission, die einen einzigartigen Wagemut erforderte, hing alles von der Qualität der Akteure ab.
    Die Briten empfahlen eine Kombination aus Feuerwaffen und Bomben. Jozef Gabčík wollte ein tschechisches Sten-Schnellfeuergewehr benutzen, das leicht war und zerlegt gut versteckt werden konnte. Jan Kubiš erhielt einen Vorrat an Granaten, die ursprünglich für die Bekämpfung von Panzern in Nordafrika gedacht waren. Mitte Dezember wurden die beiden nach London gebracht und in einer sicheren Wohnung einquartiert, wo sie auf günstiges Wetter und eine freie Maschine warteten. Während des Aufenthalts in der Hauptstadt trafen die Offiziere Beneš, der ihnen persönlich für ihren Mut dankte und die Bedeutung der Aktion unterstrich, für die man sie auserwählt hatte. Der persönliche Berater des Präsidenten Eduard Táborský erinnert sich noch, wie jung sie wirkten. »Einer von ihnen kam mir eher wie ein Halbwüchsiger als wie ein Soldat vor, geschweige denn ein Fallschirmspringer, der auf alles gefasst, den Sprung mitten in diese Hölle tun wollte.« 84 Ein Kamerad bei der Ausbildung erinnerte sich: »Sie waren beide ganz normale Typen.… Kubiš war ein stiller Zeitgenosse; er hätte keiner Fliege was zuleide getan. Gabčik hingegen war leidenschaftlich und begeistert.… Als Soldaten waren sie der Meinung: Befehl ist Befehl – Ende der Diskussion. Die Neuigkeiten aus unserem Land, die von Folter und dem Mord an unserem Volk berichteten, hatten sie in hohem Maße angespornt.« 85
    Wenn man in einer Nacht von London bis ins Hinterland von Böhmen und wieder zurück fliegen wollte, ohne entdeckt zu werden, musste man die vielen Stunden Dunkelheit nutzen, die nur im Winter herrschten. Um einen Landeplatz korrekt auszumachen, brauchte man so viel Mondlicht, wie es jeden Monat nur an zehn Tagen zu erwarten war – vorausgesetzt, es waren kaum Wolken am Himmel. Erst am 28. Dezember waren diese Voraussetzungen erfüllt. Der
Kurs des Flugzeugs führte es über Frankreich, dann Deutschland. Zwanzig angespannte Minuten lang wurde es von feindlichen Jägern verfolgt, die das Flugzeug entweder aus den Augen verloren oder keinen Treibstoff mehr hatten. In den frühen Morgenstunden ging die Maschine tiefer und flog einen Punkt an, der gut hundert Meter oberhalb des schneebedeckten Umlandes südlich der Stadt Plzeň (Pilsen) lag. Um 2.24 Uhr ging die Luke auf, und wenige Sekunden später senkten sich getarnte Fallschirme vom Himmel herab.

TEIL III
Mai 1942 – April 1945
    Wozu dient die Wissenschaft dem Menschen?
Wozu schönen Frauen an Schönheit so viel lag?
Wozu ist die Welt, wo kein Recht kann herrschen?
Wozu gibt es die Sonne auch ohne Tag?
Wozu gibt es Gott? Vielleicht um zu Strafen?
Oder damit die Menschheit

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