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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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Kohlen heruntergebrannt war. Sie warf ein paar Scheite für die Nacht hinein, verteilte sie gleichmäßig und machte sich dann auf den Weg in ihr Bett.
    So leise sie konnte, schlich sie die Treppe hoch. Ihr war schwindelig vom Alkohol, und sie musste sich am Geländer festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, aber ein wundervoller Gedanke ließ all das in den Hintergrund treten: Sie war noch mal davongekommen. Fast hätte sie in ihrem Triumph laut gelacht.
    Auf halber Treppe trat sie in etwas Nasses und blieb stehen. Auf den hölzernen Stufen waren mehrere schmutzige Pfützen zu sehen, als wäre jemand nach oben gegangen, ohne sich vorher die Stiefel auszuziehen. Verärgert über ihre nassen Socken, stieg Ruthie die restlichen Stufen bis in den mit Teppichboden ausgelegten Flur hoch.
    Die Tür zum Zimmer ihrer Mutter war geschlossen, durch den Spalt unter der Tür drang kein Licht. Fawns Tür jedoch stand offen, und Ruthie hörte ihre kleine Schwester im Schlaf seufzen. Roscoe kam aus Fawns Zimmer geschlichen und lief schnurrend auf Ruthie zu. Sein buschiger Schwanz wedelte in der Luft hin und her und signalisierte Bitte lieb mich!
    Ruthie sah schmunzelnd auf den aschgrauen Kater hinunter. »Na komm, alter Knabe«, flüsterte sie und schlüpfte in ihr Zimmer. Roscoe folgte ihr. Ruthies Bett war nicht gemacht, der Schreibtisch ein Durcheinander aus Lehrbüchern und Mitschriften aus dem soeben zu Ende gegangenen Semester: Wissenschaftliches Schreiben, Einführung in die Soziologie, Analysis I, Grundlagen der Informatik. Obwohl die Noten noch nicht aushingen, wusste sie, dass sie in allen Kursen eine Eins hatte, auch wenn sie sterbenslangweilig gewesen waren.
    »Der Stoff ist so simpel, da könnte eine dressierte Katze einen Einser-Schnitt schaffen. Das ist ein unterdurchschnittlicher Ausbildungsstandard«, hatte sie sich bei ihrer Mutter beschwert. »Willst du das etwa für mich?«
    »Es ist doch nur ein Jahr«, hatte ihre Mutter erwidert – ein Satz, den Ruthie inzwischen auswendig konnte.
    Ja, ja.
    Ruthie machte ihre Tür zu, zog sich die Jeans und feuchten Socken aus und kroch ins Bett. Roscoe machte es sich neben ihr bequem. Er trat auf der Bettdecke herum und lief einmal, zweimal, dreimal im Kreis, bevor er sich schließlich hinlegte und die Augen schloss.
    Sie träumte schon wieder von Fitzgeralds Bäckerei mit ihren von der Wärme beschlagenen Fenstern und dem Duft nach frischgebackenem Brot und Kaffee. Es gab dort eine lange gläserne Theke, vor der sie eine scheinbare Ewigkeit lang stand und die Reihen der Cupcakes, Apfeltaschen und mit buntem, wie Edelsteine funkelndem Zucker bestreuten Kekse betrachtete.
    »Was hast du dir ausgesucht, mein Täubchen?«, fragte ihre Mutter, die Ruthies kleine Hand fest und sicher in ihrer hielt. Die Mutter trug weiche, glatte Handschuhe aus Kalbsleder. Mit der freien Hand deutete Ruthie auf etwas in der Auslage. Ihre pummeligen Kleinmädchenfinger hinterließen Flecken auf dem Glas.
    Ein Cupcake mit einer Haube aus rosafarbener Zuckercreme.
    Dann hob Ruthie den Kopf und sah, wie ihre Mutter auf sie herablächelte, nur dass der Traum an dieser Stelle immer ganz merkwürdig wurde, denn die Frau neben ihr war gar nicht ihre Mutter, sondern eine große, hagere Unbekannte mit einer dicken Hornbrille, deren Gläser wie Katzenaugen geformt waren.
    »Eine gute Wahl, mein Täubchen«, sagte die Frau und strich Ruthie übers Haar.
    Dann veränderte sich der Traum plötzlich wie so oft, und sie befand sich in einem winzigen dunklen Raum, in dem ein flackerndes Licht schien. Jemand war bei ihr – ein kleines Mädchen mit blonden Haaren und schmutzigem Gesicht. Der Raum schien immer kleiner und kleiner zu werden, und die Luft wurde knapp. Verzweifelt schluchzend rang Ruthie nach Atem.
    Dann schlug sie die Augen auf. Roscoes warmer, schwerer Körper lag ihr quer über Mund und Nase.
    »Geh runter von mir, du alter Klops«, brummte Ruthie mürrisch und gab ihm einen Stoß.
    Aber es war gar nicht der Kater. Es war der Arm ihrer Schwester in weichem Fleece. Ruthie blinzelte. Das helle Licht, das zum Fenster hereinfiel, tat ihren Augen weh. Ihr brummte der Schädel, und sie hatte einen Geschmack wie von Katzenscheiße im Mund. Auf frühmorgendlichen Besuch hatte sie absolut keine Lust.
    »Was willst du?«, knurrte sie. Ihr Bett war schmal genug, auch ohne ihre kleine Schwester, die im Schlaf Turnübungen machte und nicht selten mit dem Kopf am Fußende aufwachte. Fawn kroch nachts

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