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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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er sie wohl bei der Pressekonferenz sehen würde. Sie hatte schon früher über Fälle berichtet, an denen er arbeitete, und er hatte sich immer unwohl mit der Doppelrolle gefühlt, in die sie ihn versetzte.
    Davon abgesehen musste er zugeben, dass seine Tochter eine gute Polizeireporterin war. Sie kannte die verschiedenen Phasen der Polizeiarbeit und hatte ein ganz eigenes Talent, die Entwicklung eines Falles vorauszusehen. Und das betraf nicht nur seine Fälle. Es war sogar vorgekommen, dass ihre Artikel Informationen enthielten, die die Ermittlungen voranbrachten. Wisting konnte nicht verhehlen, dass er stolz auf sie war.
    Gerade als sie den Konferenzraum betreten wollten, klingelte das Telefon wieder.
    Wisting erinnerte sich an das Gedränge auf der Pressekonferenz im letzten Sommer, als vier abgetrennte linke Füße an der Küste des Polizeidistrikts an Land getrieben waren. Jetzt war der Raum höchstens zur Hälfte gefüllt. Line konnte er nicht entdecken. Zum Glück. Von den Hauptstadtzeitungen waren nur zwei Fotografen und ein Journalist erschienen. Die anderen überregionalen Medien verließen sich offenbar auf die Meldungen der Nachrichtenagenturen.
    Die Journalisten drehten sich zu ihnen um. Ein paar Fotografen hielten ihre Ankunft auf ihren Speichersticks fest.
    Wisting holte das Handy heraus. Vielleicht war es wieder Line, dann war es möglicherweise wichtig.
    Aber auf dem Display stand eine ihm unbekannte Nummer. Er nahm den Anruf an, um zu sagen, dass er zurückrufen würde.
    »Noch mal Hoff-Hansen von der Rechtsmedizin«, sagte der Mann am anderen Ende.
    Wisting gab Christine Thiis ein Zeichen, dass es ein wichtiges Gespräch war.
    »Er war hier«, sagte Hoff-Hansen. »Aber er ist wieder weggefahren, ohne zu liefern.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Eine Mitarbeiterin im Labor hat den Wagen gesehen. Sie erkannte den Schriftzug vom Bestattungsinstitut in Larvik und nahm an, dass es um den Mordfall ging, von dem in den Nachrichten die Rede war.«
    »Und dann?«
    »Als sie nach draußen kam, fuhr der Wagen in hohem Tempo weg.«
    »Und sie ist sicher, dass es ein Auto aus Larvik war?«
    »Ja. Wir erwarten heute außerdem keinen weiteren Transport. Der Wagen war hier, wendete und verschwand.«
    »Und die Leiche ist nicht bei Ihnen? Vielleicht wurde sie ein geliefert und versehentlich in eine andere Abteilung geschickt.«
    »Garantiert nicht.«
    Wisting biss sich auf die Lippe. Er war sich nicht sicher, was das zu bedeuten hatte, er wusste nur, dass damit die wichtigste Spur in ihrem Fall verschwunden war. Die Leiche war weg.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte der Pathologe.
    »Das weiß ich nicht«, erwiderte Wisting. »Ich rufe Sie wieder an.«
    Er beendete das Gespräch und stellte das Handy stumm, ehe er den Konferenzraum zum zweiten Mal betrat. Er nahm neben Christine Thiis Platz und strich sich übers Kinn. Der Schmerz war stärker geworden.
    Der Stationschef begrüßte die Presse und stellte seine Kollegen vor. Er bestätigte, dass die Polizei in einem Tötungsdelikt mit unbekanntem Täter ermittelte, und überließ Christine Thiis das Wort. Thiis trug Punkt für Punkt die Erklärung vor, die sie gemeinsam ausgearbeitet hatten, und blickte nur hin und wieder in ihre Notizen. Dadurch vermittelte sie den Eindruck, ihrer Rolle gewachsen zu sein.
    Sobald sie geendet hatte, bestürmten die Jounalisten sie mit Fragen nach Details, die etwas Farbe in die nüchterne Darstellung bringen konnten.
    Eine Reporterin der Lokalzeitung saß in der vordersten Reihe. »Welche Spuren haben Sie?«, fragte sie.
    Christine Thiis zögerte einen Moment. »Wir haben mehrere interessante Spuren gesichert«, antwortete sie. »Aber die Arbeiten am Tatort sind noch nicht abgeschlossen.«
    »Inwiefern interessant?«, hakte die Jounalistin nach.
    Wisting räusperte sich. Die Untersuchungsrichterin hatte eine Tür geöffnet. Sie hatten sich in der Vorbesprechung geeinigt, nicht darauf einzugehen, welche Spuren gesichert worden waren. Das waren Details, die die Öffentlichkeit nicht zu erfahren brauchte. Es konnte den Ermittlungen schaden, wenn sie zu viel preisgaben. Andererseits konnte er verstehen, dass die Polizeianwältin das Bedürfnis hatte, den Medien und dem Publikum zu zeigen, dass ihre Arbeit bereits zu Ergebnissen geführt hatte und sie auf dem Weg zu einer Klärung des Falles waren.
    »Es handelt sich unter anderem um Fußabdrücke«, hörte er Christine Thiis sagen.
    Wisting bereute, dass er sie nicht besser

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