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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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Ermittler nickten und machten sich Notizen.
    »Und noch was«, sagte er und richtete die Augen auf Nils Hammer. Er wusste, dass der erfahrene Ermittler bereits mit Arbeit eingedeckt war, aber er war der beste Schnüffler, den er hatte. »Ich will alles über den Fahrer des Leichenwagens wissen.«
    Hammer erwiderte seinen Blick mit entschlossenem Gesichtsausdruck. »Sollst du haben«, versicherte er.
    Keiner hatte noch Fragen. Stühle scharrten über den Boden, die Besprechung war zu Ende.

12
    Um 11.30 Uhr am Vormittag des 2. Oktober war Wisting zurück am Tatort. Zwölf Stunden waren vergangen, seit er von dort weggefahren war, und bei Tageslicht sah alles anders aus.
    Die Landschaft war offener, als er sich vorgestellt hatte. Fast überall wuchsen Wacholderbüsche, die meisten schief und krumm vom Wind und kaum meterhoch. Von der Stelle, wo er seinen Wagen parkte, hatte man einen weiten Ausblick aufs Meer. Ein kalter, feuchter Wind blies landeinwärts.
    Wisting stieg über die rot-weißen Flatterbänder, mit denen der Pfad abgesperrt war. Oben an der Landstraße war eine weitere Polizeisperre, um die Presse auf Abstand zu halten.
    Das Gelände hinunter zu den Hütten war steil und unwegsam. Der Pfad war voller glitschiger Wurzeln und er musste sich vorsehen, wo er hintrat.
    Unterwegs kam er an zwei Tatorttechnikern vorbei, die sich hingehockt hatten und etwas studierten, das neben dem Pfad lag. Es sah aus wie ein kleines Stückchen Papier, das unter dem Heidekraut lag, etwas, das niemand außer ihnen bemerken würde. Für die Kriminaltechniker, die den gewundenen Pfad Meter für Meter absuchten, war alles ein potenzielles Indiz. Was jetzt unwichtig erschien, konnte sich später als wichtig erweisen. Was jetzt rätselhaft und zusammenhanglos wirkte, konnte das entscheidende Detail sein, das ihnen fehlte.
    Direkt unterhalb der Stelle lag ein toter Vogel. Das Genick war gebrochen, der Kopf nach hinten verdreht und die Flügel waren seitwärts ausgebreitet.
    »Habt ihr den gesehen?«, fragte Wisting.
    Der ältere der beiden Techniker nickte und erhob sich. »Weiter unten liegt noch einer«, sagte er und stellte sich neben Wisting. »Meinst du, das hat was mit der Sache zu tun?«
    »Und du?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein«, erwiderte er mit Nachdruck und schob den Vogel mit dem Fuß vom Pfad.
    Auf dem Platz vor der Hütte blieb Wisting stehen, um den Ort auf sich wirken zu lassen. Bei Tageslicht wirkte er friedlich und gepflegt.
    Die Tatorttechniker waren auch hier bei der Arbeit. Einer hockte vor der Eingangstür der Hütte und stocherte in etwas herum. Als er Wisting entdeckte, erhob er sich. Das schwarze, geronnene Blut und die Kreidekonturen eines menschlichen Körpers auf dem groben Holzfußboden hinter ihm zeugten von dem, was hier passiert war.
    Mortensens Untersuchungen hatten gezeigt, dass das Szenario ein anderes war, als sie in der Nacht geglaubt hatten. Der Mann war in dem engen Flur erschlagen worden, aber bereits tödlich verwundet, als er die Hütte betrat.
    Wisting hatte eine Karte bei sich, auf der die Fundstellen des Mobiltelefons und der Patronenhülsen markiert waren. Er folgte dem Pfad, bis er die Stellen im Gelände fand.
    Er stellte sich dorthin, wo der Schütze gestanden hatte, und blickte sich um. An den benachbarten Büschen waren einige Zweige geknickt, aber es war schwer zu sagen, ob das von den Spürhunden verursacht worden war oder von einem Menschen auf panischer Flucht durch die Nacht.
    Er hob die Arme und zielte auf die karg bewachsene Landschaft, als hätte er eine Pistole in den Händen. Dann spannte er den Körper an und gab einen Schuss mit der Fantasiewaffe ab.
    Die einfache Rekonstruktion brachte ihm keine neuen Erkenntnisse. Er faltete die Karte zusammen und steckte sie in die Innentasche seiner Jacke, dann ging er zu seinem Auto zurück.
    Ein Spatz kam angeflogen und setzte sich vor ihm auf die Kühlerhaube. Es sah aus, als starrte der Vogel ihn an. Bevor er wieder davonflog, glaubte Wisting, einen Ausdruck von Angst in den schwarzen Augen des kleinen Vogels zu erahnen.
    Auf dem Rückweg fuhr er langsam an der Stelle vorbei, an der er überfallen worden war. Vor dem Bauernhof, wo er Hilfe gefunden hatte, stand der Bauer an der Straße. Er fegte etwas auf eine Schaufel und kippte es in eine Schubkarre. Wisting überlegte, ob er anhalten und sich für die Hilfe bedanken sollte, fuhr aber doch vorbei. Im selben Moment klingelte sein Handy. Er sah, dass es Line war, und

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