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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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verbogenem Metall auf, aber der Schaden schien nicht so groß zu sein, wie er befürchtet hatte.
    »Gibt es Zeugen?«, fragte Wisting.
    »Keinen, der etwas anderes gesehen hat als das Feuer.«
    »Wie sieht es im Auto aus?«
    »Der Innenraum des Wagens ist leer, aber eure Leiche liegt wohl noch hinten drin. Wäre der Tote in einem Sarg transportiert worden, wäre sicher nicht so viel verbrannt. Das Plastik des Leichensacks ist geschmolzen und hat den Flammen Nahrung gegeben.«
    Wisting schloss wieder die Augen. Er hasste den Anblick von verbrannten Körpern. Er hatte genug davon gesehen, um Feuer mehr zu fürchten als alles andere. Falls er zwischen einer Wasserleiche und einem Brandopfer wählen müsste, würde er vermutlich die aufgedunsene, unförmige Masse einer Wasserleiche den verkohlten, bröckelnden Überresten eines Brandopfers vorziehen.
    »Wir schicken Techniker hin«, fuhr der Mann von der Einsatzleitstelle fort. »Aber sobald es sich machen lässt, schaffen wir den Wagen hierher. Könnte sein, dass die Rechtsmediziner die Leiche morgen früh auf dem Tisch haben.«
    Wisting bedankte sich und bat darum, auf dem Laufenden gehalten zu werden.
    Inzwischen war der Artikel im Internet mit eigenen Fotos der Zeitung aktualisiert worden. Der Fotograf hatte ein Weitwinkelobjektiv benutzt. Außer dem mit Löschschaum bedeckten Autowrack zeigte es Feuerwehrleute, die ihre Sachen zusammenpackten, Zuschauer, die sich Nase und Mund zum Schutz vor dem stinkenden Rauch zuhielten, und die nähere Umgebung. Die Fundstelle war ein offener Platz neben einem Kiesweg. Im Hintergrund ragten herbstgelbe Bäume in den grauen Himmel.
    Er überflog den Text, in dem behauptet wurde, dass es sich um den gesuchten Leichenwagen handelte. Die Zeitung hatte mit einem der Wanderer gesprochen, der eine halbe Stunde vor Entdeckung des Feuers an der Stelle vorbeigekommen war. Da hatte dort noch kein Auto gestanden. Fragte sich nur, wo das Auto in der Zeit zwischen Rechtsmedizinischem Institut und Feuer gewesen war.
    Es gab noch eine weitere ungeklärte Frage, die von der Zeitung nicht aufgegriffen wurde: Wo war der Fahrer?

16
    Nachdem Line den Schlüssel zu der Hütte geholt hatte, begann es zu regnen. Je näher sie der Küste kam, desto dichter trieb der Nebel vom Meer herein und perlte als Tropfen an der Windschutzscheibe herunter. Sie schaltete die Scheibenwischer ein. Die tief hängende Wolkendecke dämpfte das Tageslicht und verschluckte die Umgebung.
    Sie verfuhr sich drei Mal, ehe sie den richtigen Feldweg fand. Er war voller Schlaglöcher und schmutziger Pfützen. Ein anderes, schwereres Fahrzeug hatte tiefe Spuren hinterlassen, die das Manövrieren erschwerten.
    Der Weg wand sich über einen Dreiviertelkilometer durch dicht bewachsenes Waldgelände, bevor er sich eine Anhöhe hinaufschwang. Von dort aus konnte Line die Dünen sehen, die sich bis hinunter ans Meer zogen. Der Nebel machte die Landschaft grau und konturlos.
    Der Feldweg endete an einem offenen Platz, etwa dreißig Meter von der Hütte entfernt. Von dort führte ein Fußweg weiter, der mit zerbrochenen Muschelschalen bedeckt war.
    Mitten auf dem Platz stand ein großer grauer, an den Seiten mit Schlamm bespritzter Lieferwagen. Line parkte vor einem dichten Heckenrosenstrauch an der anderen Seite des Platzes und stieg aus. Salzige Meeresluft schlug ihr entgegen und sie atmete tief ein.
    Die Hütte stand noch genauso da, wie sie sie in Erinnerung hatte. Ein wenig zurückgezogen, rot gestrichen, mit einem Ziegeldach und grünen Fensterläden.
    Unten am Strand war der Badesteg. Eine stumme Möwe hockte auf einem der Pfähle und schaute zum Horizont. Ein paar Stufen von dem Sprungturm waren verrottet, aber der Anblick rief trotzdem schöne Kindheitserinnerungen in ihr wach, von unbeschwerten Sommertagen hier draußen bei Onkel Georg.
    Ein paar Hundert Meter weiter auf der Steinmole stand ein Mann in einem schwarzen Regenmantel. Er schaute durch ein Fernglas Richtung Nordosten. Offenbar hatte er Line nicht kommen hören. Neugierig blickte sie in dieselbe Richtung, sah aber nichts anderes als monotones Grau.
    Die Möwe am Badesteg schwang sich hinauf zu einem kreisenden Gleitflug. Schwebte im Aufwind, ohne mit den Flügeln zu schlagen.
    Line nahm die Tüten mit Putzzeug und Lebensmitteln aus dem Auto und trug sie das letzte Stück. Eine Holztreppe führte hinauf zu der breiten Holzveranda, die sich an der Südseite der Hütte entlangzog.
    Auf der obersten Treppenstufe lag ein

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