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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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aber es erinnerte ihn an ein Segelschiff, das in aller Eile und ohne ersichtlichen Grund von der Mannschaft verlassen wird und als herumirrendes Geisterschiff auf dem Meer treibt.

14
    Als Wisting zurück in seinem Büro war, bereute er, dass er nicht bei einer Apotheke vorbeigefahren war und sich eine Schachtel Paracetamol besorgt hatte. Die eine Tablette, die er in seinem Schreibtisch gefunden hatte, dämpfte den Schmerz zwar, aber er war immer noch da. Er massierte sich das lädierte Kinn, während er sich in den virtuellen Projektraum einloggte, in dem alle an der Ermittlung Beteiligten fortwährend neue Daten ablegten. Es war ein ewiger Strom von Informationen. Manchmal konnte er so überwältigend sein, dass er Wisting blind machte für das, worauf er seine Aufmerksamkeit hätte richten müssen, aber es gab keine Filtermöglichkeit. Er musste alle Informationen in sich aufnehmen und versuchen, das Wichtigste herauszupicken, wohl wissend, dass die Antworten oft in den Details lagen.
    Bevor er sich an die Durchsicht machte, rief er Suzanne an.
    »Wie fühlst du dich?«, wollte sie wissen.
    »Ich habe Schmerzen, aber das geht schon«, erwiderte er.
    »Du hättest damit zum Arzt gehen sollen.«
    Er navigierte sich durch das Programm, während er sprach. »Mache ich, wenn es schlimmer wird«, sagte er. »Ich habe eine Tablette genommen.«
    »Kommst du heute Abend nach Hause?«
    »Ja, aber es kann spät werden.« Er räusperte sich, bevor er fortfuhr: »Line hat angerufen. Sie kommt zu Besuch.« Die Stille am anderen Ende verriet ihm, das Suzanne auf die Fortsetzung wartete. »Zwischen ihr und Tommy ist es aus. Sie kommt, um mal abzuschalten.«
    »Ach herrje. Nimmt es sie sehr mit?«
    »Nein, sie wirkte eher erleichtert. Sie war es, die Schluss gemacht hat. Sie gibt ihm ein paar Tage Zeit, um zu packen und sich eine andere Bleibe zu suchen. Sie will solange in der Hütte wohnen.«
    »In der Hütte? Die ist doch gar nicht hergerichtet.«
    »Sie will das selbst machen. Sie kommt vorbei und holt den Schlüssel ab.«
    »Okay. Meinst du, ich sollte mitfahren und ihr helfen?«
    »Ich glaube, sie möchte allein sein.«
    »Dann bleibe ich hier und mache eine Kleinigkeit zu essen, in der Hoffnung, dass du Zeit findest, vorbeizukommen.«
    Wisting versprach, zu sehen, was sich machen ließ, und legte das Telefon auf den Tisch. Er hatte zwei. Sie waren eine ständige Störquelle und die Gespräche waren in der Regel unnötig lang. Er drückte die Abwesenheitstaste auf dem Büroapparat und schob das Mobiltelefon beiseite. Sich ganz von der Umwelt abzukoppeln, wagte er nicht. Schon ein einziger Anruf konnte einen Fall der Aufklärung mit Siebenmeilenstiefeln näher bringen.
    Er konnte gut eine Stunde ungestört arbeiten, bevor der entscheidende Anruf kam.

15
    Wisting verstand den Namen des Anrufers nicht, bekam aber mit, dass er in der Einsatzleitstelle des Polizeibezirks Oslo arbeitete.
    »Die gute Nachricht zuerst«, sagte der Mann. »Ich glaube, wir haben den Leichenwagen gefunden, nach dem ihr sucht.«
    Wisting legte den Kopf in den Nacken und richtete den Blick auf einen Punkt an der Decke. »Und die schlechte Nachricht?«
    »Er brennt lichterloh.«
    Wisting schloss die Augen. Er hatte schon so etwas geahnt. »Können Sie mir mehr darüber sagen?«, fragte er.
    »Wir bekamen um 12.02 Uhr eine Meldung von Wanderern, dass an der Ostseite des Vettakollen ein Auto brennt.«
    Wisting runzelte die Stirn und sah auf die Uhr. Das war vor achtundvierzig Minuten gewesen. Der Vettakollen lag nur wenige Kilometer vom Rikshospitalet entfernt. Fahrzeit höchstens zehn Minuten. Trotzdem lagen mehrere Stunden zwischen dem Verschwinden des Autos und dem Feuer.
    Der Mann am anderen Ende fuhr fort: »Unsere Männer und die Feuerwehr sind vor Ort. Ebenso wie ein Haufen Reporter.«
    Wisting ging ins Internet, um nachzusehen, ob die Nachricht schon in den Webzeitungen stand. Brände ergaben immer gute Bilder, selbst wenn sie gelöscht waren.
    »Und ihr seid sicher, dass es unser Auto ist?«, fragte er.
    »Ja. Der Anrufer hat das Kennzeichen durchgegeben.«
    VG brachte die Meldung unter der Schlagzeile Leichenwagen in Brand gesteckt. Darunter ein Foto, das einer der Leser mit dem Handy geknipst hatte. Wisting überflog den Text. Die Arbeit der Feuerwehr war beendet und die Polizei hatte das Gebiet um das ausgebrannte Auto abgesperrt.
    Er rief die nächste Seite auf, wo weitere Fotos gezeigt wurden. Qualm stieg von den Resten aus rußschwarzem,

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