Winterfest
verstehen, dass sie den Rest behalten könne. Er wusste, es war eine sinnlose Form von Wohltätigkeit, aber er hatte beschlossen, seine Prinzipien zu opfern, um diese späte Abendstunde für das Mädchen leuchten zu lassen, und er hoffte, dass sie sich noch lange daran erinnern würde, nachdem das Geld aufgebraucht war.
Wisting fand den Weg zurück zum Hotel, ohne weiter aufgehalten zu werden. Er legte den Schmuck in den Koffer und setzte die kleine Strickpuppe auf den Nachttisch.
Bevor er sich schlafen legte, ging er noch einmal hinaus auf den Balkon. Vor ihm lag Europas neuer Spielplatz der Reichen. Aber das Wirtschaftswachstum betraf nicht alle. Die Gegensätze zwischen den Menschen in der Stadt waren nach Einbruch der Dunkelheit besser zu erkennen. Offene Prostitution und bittere Armut neben reichen Männern, die zusammen mit langbeinigen Blondinen aus teuren Autos stiegen.
Er meinte zu verstehen, warum diejenigen, die in dieser Stadt keine Zukunft für sich sahen, versuchten, sich in anderen Ländern materiellen Wohlstand zusammenzustehlen.
44
Line atmete in kurzen, harten Stößen, um sich gegen die Angst zu wehren.
Die Person draußen machte ein paar Schritte zur Seite. Line sah die Silhouette eines Mannes, der die Hände an den Kopf hob und sich gegen das große Wohnzimmerfenster lehnte, um hineinzuspähen.
Sie trat einen Schritt zurück, bekam zitternd den Pullover zu fassen, den sie über den Stuhl gehängt hatte, und zog ihn an. Dann griff sie nach dem Feuerhaken neben dem Kamin. Ihre Hände schlossen sich krampfhaft um den harten Stahl.
Mit unsicheren Schritten ging sie zum Tisch, auf dem das Handy lag. Sie bewegte sich so vorsichtig, wie sie konnte, damit der Mann vor der Hütte nicht auf sie aufmerksam wurde.
Gerade als sie das Handy aufnehmen wollte, klopfte es hart an die Fensterscheibe.
»Line?«, fragte eine Stimme.
Dann klopfte es wieder und erneut rief der Mann ihren Namen.
Es dauerte eine Weile, bevor ihr klar wurde, wessen Stimme das war. »Tommy?«, fragte sie und bekam eine bejahende Antwort von draußen.
Sie stellte den Feuerhaken neben der Tür ab und schloss auf.
Tommy lächelte sie an. Die Haare klebten regennass an seinem Kopf. Sie öffnete die Tür ein Stück weiter und ließ ihn ein.
»Was machst du hier?«
Er fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar. »Ich musste dich sehen.«
Line verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie hast du hierher gefunden?«
»Das war nicht leicht«, räumte er ein und machte einige Schritte auf sie zu. Seine Joggingschuhe hinterließen schmutzige Spuren auf dem Fußboden. »Hier draußen sind viele Hütten.«
»Du bist ja klitschnass. Warte hier.«
Tommy blickte an seinen Kleidern hinunter, während Line in das kleine Bad ging und ein Handtuch holte.
»Hier«, sagte sie und warf es ihm zu. »Hast du trockene Sachen dabei?«
Er schüttelte den Kopf und rieb sich die Haare mit dem Handtuch.
»Du wirst dich erkälten.«
»Ich kann die Sachen am Kamin trocknen«, schlug er vor und deutete mit einem Kopfnicken auf die Glut.
Line wollte protestieren, kam aber nicht mehr dazu, denn Tommy hatte bereits seine Schuhe neben die Tür gestellt und sich Pullover und Hose ausgezogen.
Sie setzte sich aufs Sofa und legte sich eine Decke über die Knie, während er seine Sachen über zwei Stühle hängte und Holz im Kamin nachlegte. Das T-Shirt behielt er an.
»Was willst du wirklich?«, fragte sie.
»Ich will das wieder hinbiegen«, antwortete er und setzte sich ihr gegenüber.
Das Kaminfeuer in dem halbdunklen Raum ließ seine feuchte Gesichtshaut leuchten.
»Ich weiß nicht, Tommy«, sagte sie. »Es ist zu spät.«
»Es ist nie zu spät«, widersprach er. »Nicht, wenn das zwischen uns wirklich echt ist, Line. Und für mich ist es echt. Ich weiß, was ich will. Die Frage ist, was du willst.«
Sie wusste es: »Ich will etwas, das stabil ist. Sicherheit. Ruhe und eine gewisse Vorhersagbarkeit. Und ich will einen Mann, der Zeit hat, um mit mir zusammen zu sein.«
»Ich kann meinen Anteil an dem Restaurant aufgeben und mich auszahlen lassen«, schlug er vor.
»Das kannst du nicht«, widersprach sie. »Du würdest viel Geld verlieren.«
»Ich verliere mehr, wenn ich es nicht tue.«
Line fand die richtigen Worte nicht. Sie begriff, dass er bereit war, ihretwegen eine Menge zu opfern, und war verwirrt.
Tommy erhob sich und ging zu den Stühlen vor dem Kamin. Die Hose, die dort hing, dampfte in der Wärme.
»Was hältst du von
Weitere Kostenlose Bücher