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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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fuhr und das dunkle Riesenrad und die Verkaufsstände auf dem nahen Pier immer kleiner wurden. Solange man keinen Mord nachweisen konnte, musste man davon ausgehen, dass Candy Morgan Selbstmord begangen hatte, und dafür war das Chicago Police Department nicht zuständig.
    Aber es gab keinen Abschiedsbrief, und der starre Blick, den der Türsteher beobachtet hatte, ließ vermuten, dass sie unter dem Einfluss von Tabletten oder Drogen gestanden hatte. Sie wäre nicht der erste Junkie, der sich in einem Anfall von Wahnsinn umgebracht hatte. Vor einigen Wochen war ein Mädchen auf Ecstasy in den Tod gesprungen, weil sie geglaubt hatte fliegen zu können. Havelka hatte den Dealer ausfindig gemacht, der ihr das Zeug angedreht hatte, und eine Anklage durchgesetzt.
    Wie in jedem Stockwerk war auch der Flur im zwölften Stock mit einem flauschigen Teppich ausgelegt. Havelka musste unwillkürlich an ihr bescheidenes Apartment in Wicker Park denken. Das hier war um einige Klassen besser.
    Havelka blieb vor der Wohnungstür der Toten stehenund klopfte. Bloß kein Lover, hoffte sie, Freunde und Verlobte waren am schlimmsten, drehten entweder durch oder brachen zusammen. Die Kollegen auf dem Revier hatten bereits herausgefunden, dass Candice Morgan ledig gewesen war und ihre Eltern in einem Reservat der Ojibway-Indianer in Minnesota lebten. Die Indianerpolizisten würden ihnen die traurige Nachricht überbringen und sie bitten nach Chicago zu fahren, um ihre Tochter zu identifizieren und eventuell für eine Überführung zu sorgen. Sie kannte sich mit indianischen Bräuchen nicht besonders gut aus, nahm aber an, dass die Familie Candy bei sich haben wollte.
    Nachdem niemand auf ihr Klopfen antwortete, schloss Havelka die Tür auf und ging in die Wohnung. Sie knipste das Licht an und ließ ihren Blick anerkennend über die weißen Ledermöbel streifen. Zwei Schränke mit verglasten Fronten und etlichen Büchern und DVDs, größtenteils leichte Kost, und ein schickes Entertainment-Center mit Flatscreen und allem, was dazugehörte. Nur durch einen schmalen Tresen vom Wohnzimmer getrennt war die Küche, so sauber und unberührt, als hätte Candy ausschließlich auswärts gegessen. Das riesige Fenster zeigte auf den Lake Michigan hinaus, mit bester Aussicht auf den nächtlichen Navy Pier. Heute war der See aber gar nicht und der Pier nur schemenhaft zu sehen.
    Havelka interessierte sich nicht für die Aussicht. Sie suchte nach Hinweisen auf eine mögliche Drogensucht der Toten oder etwas anderem, das ihren gewaltsamen Tod erklären konnte. Im Wohnzimmer wurde sie nicht fündig. Auf dem flachen Couchtisch lagen Modezeitschriften und der »TV Guide« sowie die leere DVD-Hülle einer Komödie. In einer Schublade fand sie einige Ausgaben der Zeitschrift »Native Peoples«.
    Im Schlafzimmer nebenan wurde sie fündig. Auf dem Nachttisch neben ihrem breiten Bett stand das Foto eines forsch aussehenden Mannes um die vierzig, anscheinend ihr Liebhaber. Er trug die Uniform eines Captains der American Airlines. Unterschrieben war es in roter Tinte mit »In Liebe, Steve.«
    Aus alter Gewohnheit checkte sie den Mülleimer in der Küche und fand dort eine alte Sportzeitschrift mit einem Adressaufkleber von Steve Gossip und etliche Hinweise darauf, dass Candy als Krankenschwester im Northwestern Memorial gearbeitet hatte. Sie holte ihr Handy hervor und rief Chris Densmore, ihren dienstältesten Detective, an: »Hey, Dens. Seid ihr noch am Tatort?«
    »Wissen Sie, wie viele Leute hier wohnen, Lieutenant? Wir haben nicht mal die Hälfte befragt. Was Wichtiges?«
    »Schicken Sie einen der Kollegen bei Steve Gossip vorbei, so heißt der Lover der Toten. Ein Sugar-Daddy, wie er im Buche steht. Sie sollten das Apartment sehen.« Sie gab ihm die Adresse. »Und sagen Sie im Northwestern Memorial Bescheid, dort hat die Tote gearbeitet.«
    »Wird gemacht, Lieutenant, obwohl … es sieht alles nach Selbstmord aus. Ich glaube nicht, dass sie ermordet wurde.«
    »Ich hab ein komisches Gefühl …«
    »Und das trügt sie selten, ich weiß. Sieht so aus, als würden wir mal wieder jede Menge Überstunden anhäufen.«
    »Falls was Anständiges dabei rauskommt, spendiere ich Donuts für alle.«
    »Ich wusste doch, dass es einen guten Grund dafür gibt, warum ich Cop geworden bin. Sonst noch etwas, Lieutenant?«
    »Ist das nicht genug? Bis später, Dens.« Sie wollte dasHandy gerade wieder wegstecken, als es klingelte. Eine Nummer in Minnesota.

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