Winterkill
kein spöttisches oder mitleidiges Lächeln. Bloß Gleichgültigkeit, wie sie nur eine eiskalte Killerin zeigen konnte. Auch der Druck ihrer Pistole veränderte sich nicht. Carol brauchte nur eine unvorsichtige Bewegung zu machen und sie würde schon hier im Wagen und nicht an einem unverfänglichen Ort an der Küste sterben.
Carol weinte inzwischen ungeniert. »Was haben Sie davon, wenn Sie mich erschießen?«, jammerte sie. »Ich habe Ihnen doch nichts getan! Wenn es Ihnen nur ums Geld geht, besorge ich die Summe. Das Doppelte, Kathryn, ich gebe Ihnen das Doppelte, nur lassen Sie mich bitte leben. Ich bin noch jung, ich hab noch das ganze Leben vor mir. Lassen Sie mich laufen, Kathryn, bitte, bitte! Sie dürfen mich nicht erschießen!«
Jetzt spielte doch ein verächtliches Zucken um Kathryns Mundwinkel, aber sie sagte noch immer nichts. Ungerührt bog sie von der Schnellstraße ab und steuerte den Wagen zum Lake Michigan hinunter. Im dichten Schneetreiben lenkte sie ihn an einigen leer stehenden Strandhäusernvorbei und bog in die schmale Gasse zum Strand. Nur wenige Schritte von der leichten Brandung des Sees entfernt hielt sie im Schnee.
Sie stellte den Motor ab und wandte sich an Carol. »Hören Sie«, sagte sie zu ihrem weinenden Opfer. »Ich tue nur meinen Job. Ich hab nichts gegen Sie, und es macht mir auch keinen großen Spaß, Sie zu erschießen, aber irgendwie muss ich mein Geld verdienen. Und ich kenne leider keinen Job, in dem ich mehr bekommen kann. Ich kann Sie nicht verschonen, nicht mal wenn Sie mir eine Million bieten würden, das bin ich meiner Berufsehre schuldig. Außerdem würde Bruno mich vierteilen. Und jetzt machen Sie es uns beiden ein wenig leichter und steigen Sie aus.«
Carol nahm die Worte kaum wahr. Wie ein Häufchen Elend hockte sie auf dem Beifahrersitz, den Tod vor Augen. Es gab keine Möglichkeit, Kathryn zu entkommen.
»Sie sollen aussteigen!«, befahl Kathryn schon etwas schärfer. »Ich hab keine Lust, die halbe Nacht hier rumzustehen.« Sie beugte sich zu ihr hinüber und öffnete die Beifahrertür. »Raus mit Ihnen! Oder wollen Sie es auf die harte Tour? Soll ich das Messer nehmen?«
»Nein, nein … bitte nicht«, stammelte Carol unter Tränen. In ihrer panischen Angst hatte sie bereits die Kontrolle über ihren Körper verloren. Längst hatte sie in die Hose gemacht und aus ihren Mundwinkeln sickerte Speichel. »Bitte nicht!«
Kathryn stieg aus, den offenen Mantel als wehendes Cape um ihren schlanken Körper, ging um den Wagen herum und zog sie vom Beifahrersitz.
Carol blieb schwankend stehen. Sie blickte durch den Tränenschleier vor ihren Augen auf den dunklen Lake Michigan, sah vereinzelte Eisschollen im Wasser schwimmen. Die Betäubung an ihrer Stirn und ihrer Nase hattenachgelassen, doch der Schmerz verblasste hinter dem Weinkrampf, der ihren ganzen Körper ergriffen hatte und sie nicht einmal den Rempler spüren ließ, mit dem Kathryn sie voranstieß.
»Gehen Sie!«, befahl die Killerin.
Carol hörte sie kaum, stolperte nur nach vorn, weil Kathryn sie mit der flachen Hand antrieb, verlor den Halt und stürzte zu Boden, rappelte sich wieder auf und lief weiter. Nur weg von dieser Mörderin, vielleicht schaffte sie es ja doch, ihr zu entkommen. In den See, im Wasser konnte sie untertauchen und sie überlisten, dort war sie sicher. Bis zum See musste sie es schaffen, bis …
Die Kugel durchschlug ihren Rücken und traf sie mitten ins Herz. Nur ein leises Seufzen kam über ihre Lippen, als sie von der Wucht des Geschosses nach vorn geschleudert wurde und in den Schnee stürzte.
Sarah hatte bereits mit dem Leben abgeschlossen, als zwei kräftige Hände sie unter den Armen packten und vom Boden hochzogen. Einer der Killer zielte mit seiner Pistole auf sie, aber bevor er abdrücken konnte, hatte der Mann sie bereits in die Deckung der parkenden Wagen geschleppt. »Schnell! In das Taxi!«, hörte sie eine bekannte Stimme.
Sie versuchte mitzuhelfen und schrie vor Schmerzen auf, als ihr Fuß mit dem verstauchten Knöchel den Boden berührte. Hinkend erreichte sie das parkende Taxi und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Ihr Retter schlug die Tür zu, lief geduckt auf die Fahrerseite und setzte sich hinters Steuer. Hinter ihnen hupte ein ungeduldiger Busfahrer, der durch seine Anwesenheit dafür sorgte, dass die Killer aufgaben und zurück zu ihrem Wagen rannten.
»Ethan!«, rief Sarah erstaunt und dankbar zugleich. Sie strahlte ihn an, bis ihr einfiel, in
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