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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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dass ich nach dir gesucht habe?«
    »Ich?« Sie war so von seinen blauen Augen beeindruckt, dass sie für einen Augenblick sogar ihre Sorgen und die Schmerzen im Knöchel vergaß. »Warum sollte ich dir böse sein? Ich bin froh, dass wir wieder zusammen sind.«
    »Ich auch«, sagte er etwas heiser. Ihm schien gar nicht aufzufallen, dass er nun beide Hände auf ihrem Knöchel liegen hatte. »Ich wäre so lange mit dem Taxi durch die Stadt gefahren, bis du bei mir eingestiegen wärst. Und wenn es eine ganze Woche gedauert hätte.«
    Sie spürte, wie seine rechte Hand über ihren Unterschenkel bis zum Knie hochwanderte und dort einen leichten Druck ausübte, wahrscheinlich unbewusst. Es fühlte sich großartig an. Sie griff zärtlich an seine Wange und zog sein Gesicht sanft zu sich herab. Ihre Blicke verschmolzen miteinander. Doch gerade als sie die Augen schloss und ihre Lippen sich fast berührten, hupte jemand hinter ihnen und sie zuckten beide zusammen. Ein anderer Taxifahrer fuhr rechts an ihnen vorbei und griff sich mit der Hand an die Stirn, was wohl so viel heißen sollte wie: »Könnt ihr nicht woanders rummachen?«
    Der magische Augenblick war verstrichen und doch atmeten beide erleichtert auf. Nur ein wütender Taxifahrer, nicht die beiden Killer.
    Ethan zog seine Hand zurück und blickte sie aus traurigen Augen an, als bedauerte er, in die wirkliche Welt mit ihren Gefahren zurückkehren zu müssen. »Wir können nicht ewig hierstehen«, sagte er, »und du kannst nicht ewig vor diesen Männern davonlaufen.«
    »Ich weiß«, erwiderte sie.
    »Ich bringe dich zum nächsten Polizeirevier«, schlug ervor. Ihm schien erst jetzt wieder bewusst zu werden, in welcher Gefahr sie schwebte. »Bei den Cops bist du sicher. Ich bleibe bei dir, okay?«
    Sie dachte an die roten Augen des Cops in der U-Bahn. »Das geht nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Das kann ich dir nicht sagen.« Sie dachte daran, die Notrufnummer der US Marshals anzurufen, wollte aber nicht in seiner Gegenwart mit ihnen reden. »Setz mich einfach irgendwo ab.«
    »Und wenn die Killer kommen?«
    »Ich komme zurecht, Ethan.«
    »Willst du allein in der Stadt herumirren? Mit den Killern auf den Fersen? Du hast doch gesehen, was passiert ist. Um ein Haar hätten sie dich erschossen.« Er schüttelte entschlossen den Kopf. »Das lasse ich nicht zu, Sarah.«
    »Dann setz mich vor einem Lokal in der Innenstadt ab. Ed Debevic’s, der Hamburger-Laden in der North Wells. Da wimmelt es von Leuten. Ein besseres Versteck gibt es nicht. Und mach dir keine Sorgen. Ich weiß, was ich tue. Ich hab auch keine Lust, mich von diesen miesen Kerlen umbringen zu lassen.«
    »Und wo schläfst du? Im Lokal?«
    »Ich komme zurecht, Ethan. Vertrau mir bitte. Sobald ich die Sache durchgestanden habe, melde ich mich bei dir, dann erkläre ich dir alles.« Wenn ich bis dahin nicht einen neuen Namen habe und in San Francisco oder Los Angeles wohne, fügte sie in Gedanken hinzu.
    »Ich weiß nicht, Sarah.«
    Sie versuchte, ihn mit einem aufmunternden Lächeln zu überzeugen, und hielt ihm ihr Handgelenk hin. »Gib mir deine Nummer, dann rufe ich dich an.«
    Jetzt musste auch er lächeln. Er nahm denKugelschreiber aus der Ablage und malte seine Handynummer auf ihr Handgelenk. »Okay«, sagte er. »Aber ganz wohl ist mir nicht dabei. Wenn die Killer hinter mir her wären, würde ich zu den Cops gehen, das ist sicher.« Er blickte sie prüfend an. »Ich hoffe, du weißt, was du tust, Sarah.«
    »Mach dir keine Sorgen.« Sie zog ihren Stiefel wieder an und sah nicht zu Ethan, als er den Motor startete und sich in den Verkehr einreihte, aus Furcht, er könnte die Unsicherheit und Angst in ihren Augen erkennen. Wenn die Killer eher auftauchten als die US Marshals oder das FBI, wäre sie auch in einem lebhaften Lokal wie Ed Debevic’s nicht sicher. So nervös, wie ihre Verfolger waren, würden sie ihr auch an der Hamburger-Theke eine Kugel in den Kopf jagen. Sie wollte sich weder einem uniformierten Cop anvertrauen noch Ethan in die Sache reinziehen. Es reichte, wenn sie diesen Albtraum allein durchlitt, und was mit einem Cop passieren konnte, hatte man ja gesehen.
    Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und blickte nach vorn. Der Schnee fiel inzwischen so dicht, dass sie kaum noch etwas sehen konnte. Stürmischer Wind wirbelte eisige Schleier über die Straße und brach sich an den Häuserwänden. Die Wolkenkratzer im Loop waren trotz der vielen Lichter nur noch schemenhaft zu erkennen, ragten

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