Winterkill
los!«
Der Chinese startete den Motor und fuhr vom Hof, gerade noch rechtzeitig, bevor die Killer ihn aufhalten konnten. Er lenkte den Wagen auf die Division Street, hatte Mühe, im Schneesturm die Orientierung zu behalten, und musste mehrfach gegensteuern, um in der Spur zu bleiben. Anscheinend waren die Reifen des Lieferwagens nicht die besten.
Sekundenlang sagte der Mann gar nichts, dann blickte er sie verwundert und auch ein wenig verstört an. »Was hat das zu bedeuten, Miss?«, fragte er. »Spielen wir Räuber und Gendarm?«
Sie hatte sich nicht angeschnallt, stützte sich aber mit beiden Händen am Armaturenbrett ab und starrte in das Schneetreiben. »Tut mir leid, Mister. Ich wollte Sie nicht erschrecken, aber die beiden Männer … sie sind hinter mir her.« Sie blickte nervös in den Außenspiegel, entdeckte den Wagen der Verfolger noch nicht. »Kann ich mal Ihr Handy leihen?«
Sie erreichten die Kreuzung mit der Larrabee Street und blieben vor der roten Ampel stehen. Widerwillig reichte ihr der junge Mann sein Handy. »Hören Sie«, sagte er, »ziehen Sie mich bloß in keine faule Sache rein. Ich hab schon genug Ärger am Hals. Ein Anruf, okay?«
Sie drückte die Nummer der US Marshals, wartete erneut darauf, dass die Verbindung zustande kam, und schrie vor Schreck beinahe laut auf, als der Escalade im Außenspiegel auftauchte.
Sie reichte dem Chinesen das Handy zurück und kletterte in den Laderaum. »Verraten Sie mich nicht!«, bat sie ihn eindringlich. Sie stieg zwischen den Wäschepaketen hindurch und presste sich gegen die Seitenwand, wagte nicht einmal zu atmen, als einer ihrer beiden Verfolger die Beifahrertür aufriss und rief: »Wo ist die Indianerin? Ich weiß, dass du sie mitgenommen hast. Also?«
»Was soll das?«, rief der junge Mann verstört. »Hier ist niemand, das sehen Sie doch!« Schneeflocken wirbelten ins Fahrerhaus. »Machen Sie die Tür zu! Ich muss weiter, ich hab Termine.«
»Sie hat sich im Laderaum versteckt, was? Spielt Verstecken zwischen den Wäschepaketen.« Der Killer hielt ihm den Lauf seiner Pistole unter die Nase. »Steig aus! Aber ein bisschen plötzlich!«
Sarah wusste, was der Killer vorhatte. Er würde den Fahrer zwingen, die Tür zum Laderaum zu öffnen, und dann wäre sie ihnen hilflos ausgeliefert. Der andere Mann stieg sicher ebenfalls aus und war bereits auf dem Weg dorthin.
Mit dem Mut der Verzweiflung stieß sie die beiden Hecktüren des Lieferwagens auf. Die linke Tür krachte gegen einen der Verfolger und warf ihn zu Boden, die rechte schwang weit auf und bot ihr genügend Raum, ausdem Wagen zu springen. Ohne auf den Verkehr zu achten, rannte sie über die Straße.
Nur ihrem Glück und dem langsamen Tempo der meisten Wagen hatte sie es zu verdanken, dass sie nicht niedergefahren wurde. Und der Geistesgegenwart eines Taxifahrers, der im letzten Augenblick das Steuer herumriss und in den Lieferwagen der Wäscherei krachte. Der junge Chinese sprang erschrocken zur Seite. Der Killer, der ihn mit der Waffe bedroht hatte, brachte sich mit einem Hechtsprung in Sicherheit. Und der Mann auf dem Boden fluchte lautstark, als ein Schwall eisiger Schnee auf sein Gesicht fiel.
Der Taxifahrer sprang aus seinem Wagen und schüttelte drohend eine Faust. »Haben Sie nicht alle Tassen im Schrank, Miss?«, rief er hinter Sarah her. »Kommen Sie gefälligst zurück!«
Sarah dachte nicht daran. Von wilder Panik ergriffen hetzte sie die Larrabee Street hinab. Jeder Schritt bereitete ihr Schmerzen, aber sie gönnte sich keine Pause, wusste ganz genau, dass ihre Verfolger nicht lange brauchen würden, um sich von ihrem Schrecken zu erholen. Jeden Augenblick konnte der SUV wieder auftauchen.
Sie humpelte über eine Seitenstraße und erreichte ein flaches Gebäude. »Chicago Police Department, 18th District« stand an einem der schmalen Fenster. Sie stieg die Treppen hinauf, zog die Tür auf und blieb in der schmucklosen Eingangshalle stehen.
Der untersetzte Officer hinter der Rezeption empfing sie mit einem Lächeln.
Sarah ging zögernd auf den Officer zu. Vor zwei Jahren hatte man ihr eingeschärft, weder die Polizei noch irgendeine andere Dienststelle anzurufen, falls sie in Bedrängnisgeriete. Allein die US Marshals und das FBI wussten von ihrer neuen Identität. Und die Killer, die seit einigen Stunden hinter ihr her waren, fügte sie in Gedanken bitter hinzu.
Der Officer erkannte wohl, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. Er bekam es mehrmals am Tag mit
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