Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
Vom Netzwerk:
sie getan haben könnte? Man begeht doch nicht Selbstmord, nur weil einen ein paar achtzehnjährige Mädchen auslachen. Es muss irgendetwas Ernsteres vorgefallen sein. Können Sie sich vorstellen, was er meint?«
    »Da war nichts«, antwortete Lorena zuerst. »Sarah hatte nichts gegen Bobby. So hieß er doch? Sie fand ihn ein wenig sonderbar, weil er vorhatte, von der Sozialhilfe zu leben, und bestimmt kritisierte sie ihn deswegen auch, aber sie hätte ihn niemals so stark verletzt, dass er sich deswegen umbringt. Dazu wäre Sarah niemals fähig gewesen.«
    »Bobby war ein Schwächling«, sagte John, »nur deshalb brachte er sich um. Gerade der Sohn eines traditionellen Mannes wie Niskigwun, eines heiligen Mannes, der als ein Midewiwin nach den alten Gesetzen unseres Volkes lebt, hätte so etwas niemals tun dürfen. Auch bevor wir Christen wurden, war Selbstmord ein schweres Vergehen.«
    Father Paul blickte in den Rauch, der von seiner Pfeife aufstieg. »Niskigwun gibt den jungen Frauen die Schuld. Sarah war niemals enger mit ihm befreundet, nicht wahr? Ich kann mich nicht erinnern, dass er überhaupt eine feste Freundin hatte. Aber irgendetwas muss vorgefallen sein. Vielleicht nur eine Lappalie, der niemand außer ihm Bedeutung beimaß. Sie können sich an nichts erinnern? Sarah bekam nie einen Liebesbrief von Bobby? Einen Anruf ?«
    »Das wüssten wir doch«, sagte Lorena. »Wir standen uns sehr nahe. Nein, da war nichts. Sarah hatte nie was mit Jungen … nichts Ernstes jedenfalls.«
    »Und ihre Freundinnen? Wen könnte Niskigwun gemeint haben? Ich erinnere mich an Wendy. Sie lebt in Grand Forks, nicht wahr? Gab es noch andere Mädchen, mit denen sie öfter zusammen war, auch außerhalb der Schule?«
    »Wendy, Candy … die Mädchen hielten alle zusammen. Wenn ich mich anstrenge, fallen mir zwölf, dreizehn Namen ein. Die haben sicher alle mal über Bobby gelacht … wie Kids in der Highschool eben so sind. Will Niskigwun sich an der ganzen Klasse rächen?«
    »Er sagt, dass der Wendigo sie holen wird. ›Der Wendigo wird sie holen, so wie er alle Verräter meines Volkes holen wird.‹ Das hat er gesagt. Er macht den Leuten mit solchen Drohungen Angst. Ich möchte nicht, dass unter den Frauen, die mit Bobby in die Highschool gegangen sind, eine Panik ausbricht.«
    John war blass geworden. »Der Wendigo wird sie holen? Das hat er gesagt? Wendigo, der böse Wintergeist?«
    »Das ist ja furchtbar«, erschrak auch Lorena. »Wendigo frisst seine Opfer.«
    »Wendigo ist eine Sagengestalt«, beruhigte Father Paul die beiden. Er bereute bereits, sie aufgesucht und beunruhigt zu haben. »Ein Ungeheuer, das nur in Legenden und Liedern existiert.«
    Das Telefon klingelte.
    Lorena ging dran, meldete sich mit einem knappen »Ja?« und wurde zusehends blasser, als sie der aufgeregten Stimme am anderen Ende zuhörte. Beim Auflegen hatte sie Tränen in den Augen. »Candy ist tot«, stieß sie fassungslos hervor. »Candy Morgan. Sie lebte seit einigen Jahren in Chicago. Sie ist von einem Hochhaus gesprungen.«
    »Der Wendigo!«, flüsterte John.

8
    Vor dem Polizeirevier rannte Sarah beinahe in einen parkenden Streifenwagen hinein. Anstatt sofort weiterzulaufen, um möglichst viel Abstand zwischen sich und den Wendigo zu bringen, ging sie dahinter in Deckung.
    Sie blieb in der Hocke, rieb mit einer Hand ihren schmerzenden Knöchel und hielt sich mit der anderen am Türgriff des Wagens fest, um sich rasch daran hochziehen zu können, falls man sie entdeckte.
    Wenige Augenblicke später kam O’Keefe nach draußen gerannt, gefolgt von der anderen Frau und dem Mann. Sie blickten sich suchend nach allen Seiten um. Sarah hörte den Mann rufen: »Was ist denn in die gefahren?«
    O’Keefe antwortete: »Das verstehe ich nicht. Wir sollten ihr doch helfen.«
    »Wir nehmen meinen Wagen«, rief die Frau, die Sarah nicht kannte, wahrscheinlich Lieutenant Havelka. Sie rannte zu der Limousine, die in der Einfahrt parkte, riss die Fahrertür auf und setzte sich hinters Steuer. Der Mann sprang auf den Beifahrersitz, O’Keefe auf die Rückbank. Sie hatten noch nicht die Türen zu, als Havelka bereits den Motor startete und auf die Straße raste.
    Sarah wagte nicht, aus ihrer Deckung zu kommen. Zu groß war ihre Furcht vor dem Wendigo. Sie war ihm ein weiteres Mal entkommen, hatte seinen übermenschlichen Kräften widerstanden und seine eisige Umklammerung gesprengt, doch er war auch hinterlistig und verschlagen und gemein genug, um O’Keefe

Weitere Kostenlose Bücher