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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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oder die Cops in seine Gewalt zu bringen und sie auf diese Weise zu besiegen. So wie er es mit dem Officer in der Hochbahn gemacht hatte.
    Sie zweifelte nicht mehr an der Existenz desUngeheuers. Im Büro der Polizistin hatte es zum wiederholten Male ihren Namen gerufen. Immer wieder versuchte es, von ihr Besitz zu ergreifen und sie in den Tod zu treiben, oder es nahm eine Person in ihrer Umgebung in Besitz, um auf diese Weise ans Ziel zu kommen. Sogar mit den Killern hatte es sich verbündet. Gefährlich rot waren deren Augen im Parkhaus gewesen, und immer wenn sie auftauchten, brachten sie die eisige Kälte aus dem hohen Norden mit. Wie Sarah es geschafft hatte, die letzten drei oder vier Stunden lebend zu überstehen, wusste sie selbst nicht. Glück? Vorsehung? Ihre wilde Entschlossenheit, nicht aufzugeben? Vielleicht von allem etwas.
    Sie kroch geduckt um den Streifenwagen herum und wagte sich zögernd aus ihrem Versteck. Zum Glück war kein Cop in der Nähe. Bei diesem Wetter gingen selbst starke Raucher nicht vor die Tür. Sie traute keinem mehr, nicht mal US Marshal O’Keefe, die doch eigentlich verantwortlich für sie war und sie beschützen sollte. Selbst US Marshals und Cops wurden zu willenlosen Figuren, wenn der Wendigo in ihre Körper kroch. So schnell es ihr Knöchel erlaubte, humpelte sie davon.
    Ohne einem einzigen Menschen zu begegnen, schaffte sie es bis zur nächsten Querstraße. Vor ihr wuchsen die Wolkenkratzer der Michigan Avenue und des Loop in den dunklen und verschneiten Himmel. Selbst die starken Scheinwerfer am neuen Trump Tower und am Willis Tower vermochten den Schneesturm nicht zu durchdringen. Der Wind hatte etwas nachgelassen, aber die Flocken fielen unaufhörlich und bildeten einen dichten Vorhang vor der Stadt.
    In Schatten eines Bauzauns, etwas mehr als einen Block vom Polizeirevier entfernt, verschnaufte sie. Sie hielt sich an einem Pfosten fest und nahm den Druck von ihremverstauchten Knöchel, genoss das Gefühl, für einen Augenblick keine Schmerzen mehr zu haben. Sie schaute in die Dunkelheit, hielt Ausschau nach dem Wagen, in dem O’Keefe, Havelka und der Mann, vielleicht ein FBI-Agent, nach ihr suchten. Die Beamten, nach denen sie so angestrengt und verzweifelt gesucht hatte, waren plötzlich zu Verfolgern geworden, standen vielleicht im Bann des mörderischen Wendigo.
    Der Gedanke an das gierige Monster raubte ihr für einen Augenblick alle Zuversicht. Es war also doch wahr. Der Wendigo war nicht nur eine Gestalt aus einer Legende oder einem Märchen, es gab ihn wirklich, und er hatte es auf sie abgesehen. Warum nur? Was hatte sie getan, um sich seinen Zorn zuzuziehen? Gegen welches Gesetz hatte sie verstoßen? Tat sie nicht alles, um die Kultur ihres Volkes zu bewahren? Half sie nicht mit, eine Ausstellung über »Mythen und Legenden der Anishinabe« in einem der größten Museen der Welt vorzubereiten? Hatte sie ein Tabu verletzt?
    Sie war so wütend, dass sie beinahe den schwarzen Escalade übersehen hätte. Er kam ihr auf der anderen Straßenseite entgegen. Die Killer waren zurück! Zu trügerisch war die Hoffnung gewesen, sie hätten bereits aufgegeben, als sie das Polizeirevier betreten hatte. Sie gaben nicht auf. Sie würden nicht eher ruhen, bis sie ihr eine Kugel in den Kopf gejagt hatten. Oder der Wendigo hatte sich in ihren Körpern eingenistet und sorgte dafür, dass sie nicht aufgaben. Konnte der Wintergeist in mehreren Körpern gleichzeitig sein?
    Sie fand eine Lücke im Bretterzaun und kletterte rasch hindurch. Das Aufheulen des Motors sagte ihr, dass sie zu spät reagierte hatte. Die Männer hatten sie gesehen, fuhren quer über die Straße und hielten direkt vor dem Zaun. Ein Fluch kam über ihre Lippen.
    Mit einem Blick erfasste sie das Gelände. Vor ihr klaffte eine tiefe Baugrube, die durch einen Zaun und rot-weißes Plastikband gesichert war. Sie rannte am Zaun entlang zu einer Reihe von dicht nebeneinanderstehenden Bauhütten, zwängte sich durch die schmale Gasse in der Mitte und humpelte im Schutz der Holzhütten und Trailer durch den tiefen Schnee. Als die Verfolger sie entdeckten, war sie bereits neben dem Bagger auf der anderen Seite und verschwand durch eine offene Tür im Bauzaun. »Elendes Miststück!«, hörte sie einen Killer rufen.
    Einen Block vor ihr, am Ende einer kaum einsehbaren Seitenstraße, spiegelten sich die Lichter der Wolkenkratzer in einem Seitenarm des Chicago Rivers. Noch bevor ihre Verfolger den Wagen geholt hatten, rannte

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