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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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eiskalte Luft drang in die Kirche. Ein Mann und eine Frau kamen herein. Der Mann drückte die Tür gegen den Wind zu. Father Paul erhob sich und ging auf die beiden schattenhaften Gestalten zu.
    »Jack! Louise!«, begrüßte er zwei seiner treuesten Gemeindemitglieder. Sie kamen sogar zur wöchentlichen Bibelstunde. Jack war ein hagerer Mann mit grauen Augen und schmalen Lippen, seine Frau war ebenfalls schlank und trug ihre dunklen Haare gewöhnlich zu einem Zopf gebunden. Als er ihre Hände ergriff, sah er, dass sie ihren Zopf abgeschnitten hatte, bei traditionellen Anishinabe das Zeichen großer Trauer.
    Im unruhigen Licht der Kerzen auf dem Altar erkannteer, dass beide geweint hatten, der Mann und die Frau. Er führte sie zu einer Bank und bat sie, sich zu setzen. »Was ist passiert?«
    »Wir haben einen Anruf aus Grand Forks bekommen«, sagte Jack Running Wolf. »Aus dem Krankenhaus. Wendy hatte einen schweren Unfall. Sie liegt im Koma. Die Ärzte wissen nicht, ob sie jemals wieder … Es sieht schlecht aus, Father. Selbst wenn sie wieder zu sich kommt, kann es sein, dass sie für den Rest ihres Lebens gelähmt sein wird.«
    »Wendy … unsere kleine Wendy!«, klagte Louise. »Sie hatte noch so viel vor. Sie hätte einen guten Job in einer Werbeagentur bekommen, wussten Sie das? Als Texterin. Ihr fielen schon als Kind immer gute Sprüche ein. Einmal …«
    Jack stoppte ihren Redefluss, indem er die Hand auf ihre Schulter legte. »Wir fahren nach Grand Forks«, sagte er. Heute Nacht geht kein Flieger mehr, deshalb nehmen wir den Wagen. Es sind über vierhundert Meilen, aber das macht uns nichts aus. Wir wollen in diesen schweren Stunden bei ihr sein. Man sagt, dass Menschen im Koma hören, wenn man zu ihnen spricht. Wussten Sie das? Ich werde ihr aus der Bibel vorlesen und ihr auch einige der alten Geschichten erzählen. Wir brauchen jeden Beistand, den wir kriegen können. Wir wollten Sie bitten, für Wendy zu beten.«
    Father Paul fiel es schwer, seine Bestürzung über diese schlimme Nachricht in Worte zu fassen und ihnen Trost zu spenden. »Ich fühle mit Ihnen«, sagte er, »und ich wünsche Ihnen die Kraft, mit diesem Schicksalsschlag fertigzuwerden. Ich werde für sie beten, das verspreche ich Ihnen. Und meine Gedanken werden Sie auf der langen Reise nach Grand Forks begleiten.« Er ergriff ihre Hände und drückte sie fest.
    »Wir haben gehört, was mit Candy passiert ist«, sagte Louise. »Candy Morgan. Ist das nicht furchtbar? Was haben wir getan, dass Gott zwei jungen Frauen der Anishinabe ein solches Schicksal zumutet? Was ist passiert, Father?«
    »Niskigwun ist schuld«, sagte Jack leise. »Er hat alle Anishinabe verflucht, die nicht den alten Lehren gehorchen. Er droht ihnen mit dem Wendigo, so hört man über den ›Mocassin Telegraph‹.« So nannte man die Gerüchteküche im Reservat. »Wenn es nach ihm ginge, dürfte kein junger Mensch das Reservat verlassen, auch unsere Wendy nicht.« Er blickte den Pater an. »Glauben Sie, dass der Wendigo … Wir sind Christen, Father Paul, und wir wissen, dass es böse Geister nur in Märchen und Legenden gibt, aber könnte es nicht sein, dass der Wendigo unsere Tochter …« Er ließ den Satz unausgesprochen und fügte hinzu: »Sie ist mit Vollgas in einen Truck gefahren, warum sollte sie das tun? Ich glaube nicht, dass es ein Unfall war, Father.«
    Father Paul versuchte zu lächeln, fühlte sich aber nicht wohl dabei. Vor wenigen Minuten hatte er noch selbst überlegt, was an der Legende vom Wendigo dran war. »Wenn der Wintergeist alle Anishinabe töten wollte, die nicht mehr so leben wollen wie vor einigen hundert Jahren, müsste er den ganzen Stamm auslöschen. Ich glaube eher, dass Niskigwun sich nur wichtigmachen will. Er sieht seinen Einfluss schwinden und will die Leute durch Furcht an sich binden.« Er ließ die Worte eine Weile im Raum stehen. »Kannten sich Wendy und Bobby?«
    »Bobby? Niskigwuns Sohn?« Jack zog die Augenbrauen hoch. »Natürlich kannte sie ihn. So wie alle anderen Mädchen und Jungen, die mit ihm auf die Highschool gegangen sind. Aber sie waren nicht befreundet oder …« Er blickte seine Frau an. »Warum fragen Sie, Father? Sieglauben doch nicht, dass Niskigwun alle anderen Kids für den Tod seines Sohnes verantwortlich macht? Er war nicht besonders beliebt und viele haben ihn gehänselt, das ist wahr, aber er hatte doch selbst Schuld. Er hat sich selbst zum Außenseiter gemacht.« Er senkte den Kopf. »Sagen Sie mir, dass

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