Winterkill
keines dieser Models, die im Fernsehen ermittelten. Man sah ihr die Jahre und die Belastungen ihres Jobs deutlich an. Sie wirkte sehr entschlossen. Mit ihr war bestimmt nicht gut Kirschen essen, wenn sie einen im Visier hatte. »Nein, das ist … Woher wissen Sie von Father Paul?«
»Sie haben bei ihm angerufen, und er hat das FBI in Duluth informiert, sonst wüssten wir gar nicht, dass Sie hier sind. Seien Sie froh, dass er es getan hat. Warum haben Sie ihn zuerst angerufen? Warum nicht die US Marshals?«
»Das wollte ich ja, aber …« Sie hatte nicht vor, Havelka vom Wendigo zu erzählen. »Er war ein guter Freund und wusste immer einen Ausweg. Ich wollte keine neue Identität mehr haben. Mir reicht es, dass ich ein Mal meinen Namen ändern und alles hinter mir lassen musste. Ich dachte, vielleicht … vielleicht gibt’s irgendeine andere Lösung.«
»Das müssen die US Marshals und das FBI entscheiden.« Sie bog auf die Schnellstraße nach Süden und ordnete sich in den Verkehr ein. Das Blaulicht hatte sie ausgeschaltet. »Warum sind Sie auf dem Polizeirevier vor uns weggerannt, Sarah? Hatten Sie Angst?«
Wieder verschwieg sie den Wendigo. Havelka war sicher nicht der Typ, der mit Ungeheuern und Fabelwesen etwas anzufangen wusste. Sie nickte schwach. »Ich … ich hatte Angst, dass mich die Killer holen würden. Die Mafia-Killer …«
»Die beiden Männer, die Ihre Mitbewohnerin niedergeschlagen haben?«
Sie nickte wieder. »Carol … sie hatte doch gar nichts mit der Sache zu tun. Sie wollte nur …« Sie rieb sich die Tränen aus den Augen. »Ich weiß nicht, wie sie rausgefunden haben, dass ich hier wohne. Ich habe nicht gegen die Regeln verstoßen, ich habe nie in Grand Portage angerufen, auch nicht bei meinen Eltern oder Father Paul. Auch wenn es mir oft schwerfiel.«
»Tut mir leid, dass ich Ihnen das so direkt sagen muss«, erwiderte Havelka, »aber wir nehmen an, dass Carol etwas mit der Sache zu tun hat. Sie ist spurlos verschwunden.«
»Carol? Aber das ist unmöglich!«
»Nichts ist unmöglich. Glauben Sie mir.«
»Carol …« Sara konnte es noch immer nicht fassen. »Aber …«
»Und was sollte der Zirkus bei den Cops?«, war Havelka bereits einen Gedanken weiter. »Zuerst laufen Sie vor uns weg und dann klettern Sie über Barrikaden, nur um unsere Aufmerksamkeit zu wecken. Das passt irgendwie nicht zusammen.«
»Ich sah keinen anderen Ausweg mehr«, gestand sie. »Die Killer waren mir dicht auf den Fersen. Sie wollten …«Sarah spürte plötzlich die Anspannung der langen Flucht und begann zu weinen. Sie drehte nicht durch, weinte nur still in sich hinein, und Havelka war erfahren genug, um sie in Ruhe zu lassen. »Was sollte ich denn tun?«
Havelka wartete, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte, dann fragte sie: »Können Sie die beiden Männer beschreiben? Ihren Wagen? Irgendwas, was uns helfen könnte, sie zu finden?«
Sarah blickte aus dem Fenster und ließ den Schnee an sich vorbeifliegen. Wie durch einen Schleier sah sie die dunklen Wolkenkratzer im Loop. Ihre erleuchteten Fenster waren ein schwacher Ersatz für die Sterne, die hinter dichten Wolken verborgen lagen. Wenn das so weiterging, würde die Stadt allmählich im Schnee ersticken.
»Die Killer habe ich nie richtig gesehen«, sagte sie nach einigem Überlegen. »Ich weiß nur, dass einer groß und der andere untersetzt ist. Weiße. Sie trugen lange schwarze Mäntel, wie im Fernsehen. Der Wagen ist ein schwarzer Escalade, die Nummer beginnt mit 978.«
»Noch was? Denken Sie nach.«
»Nein, das ist alles. Der Wagen war dicht hinter mir, als ich zu den Cops lief. Dann fuhren sie schnell weg.«
»Sie hatten ein Taxi genommen?«
Sie zögerte. »Ein … ein Freund.«
»Die Nummer auf dem Handgelenk.«
Sarah nickte. »Aber ich möchte ihn da nicht reinziehen, Ma’am, er hat nichts mit der Sache zu tun. Ich kenne ihn noch nicht lange. Wo fahren wir hin?«
»Zum Stadtbüro des FBI, dann sehen wir weiter.« Havelka griff wieder nach ihrem Handy und rief Special Agent Tumblin an. Anscheinend traute sie dem Funk nicht. In knappen Worten wiederholte sie, was Sarah ihr über die Killer und den Escalade verraten hatte. Er sagteirgendetwas und sie antwortete: »Ja, das glaube ich auch. Bis gleich, Agent.«
Kaum hatte sie das Gespräch beendet und das Handy weggelegt, klingelte es. Sie blickte auf das Display, verzog den Mund und drückte auf Empfang. »Ich bin im Einsatz, Harry, ich hab jetzt wirklich keine Zeit. Ja, ich
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