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Winterkind

Winterkind

Titel: Winterkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Mer
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verbindend es sich trotzdem anfühlte. Aus einem Impuls heraus streckte sie ihr die Hand entgegen.
    „Verzeihen Sie“, sagte sie, als die Finger der Gouvernante sich leicht und verwundert um ihre eigenen schlossen. „Ich hätte mich selbst um die Sache kümmern sollen.“
    Sophie neigte den Kopf. Blanka wusste, sie verstand, dass diese Bitte um Verzeihung mehr einschloss als nur das, was gesagt wurde. Auch einen unerfreulichen Auftritt am Morgen, den sie am liebsten vergessen hätte.
    „Gnädige Frau“, sagte Sophie sehr sanft, „bitte machen Sie sich doch darum keine Gedanken.“
    Ihr Lächeln war jetzt so warm, es schien Blanka zu umarmen. Wie weich und fraulich ihr Gesicht dabei wurde … Gar nicht mehr wie eine strenge Erzieherin, ein gelehrter Blaustrumpf ohne alle weiblichen Attribute. Blanka drückte ihre Hand noch einmal, etwas fester, und ließ sie dann schnell los, bevor sie beide verlegen wurden.
    „Darf ich Sie dann noch einmal beanspruchen?“, fragte sie. „Ich vermute, die Männer haben den Spiegel einfach irgendwo abgestellt, er muss ja wirklich furchtbar schwer gewesen sein. Meinen Sie, wir können ihn zu zweit an einen geeigneten Platz rücken? Ich würde natürlich Lieschen bitten, aber …“
    Was aber? Es gab eigentlich gar keinen Gegengrund. Blanka stockte, aber Sophie fragte gar nicht weiter.
    „Natürlich“, sagte sie nur.
    Im Schlafzimmer stellten sie fest, dass es so schwierig nicht war, den Spiegel richtig aufzustellen. Das Tuch hing nur noch lose darüber. Der massive hölzerne Ständer, der hinten am Rahmen befestigt war und den Spiegel leicht schräg stellte, sodass er das Licht der Deckenleuchten einfangen konnte, war bereits aufgeklappt. Er stand neben Blankas Bett, mit der Spiegelfläche zur Tür. Sie mussten ihn nur rechts und links fassen und mit vereinter Kraft ein wenig schieben, bis der Betthimmel nicht mehr halb darüberfiel und ihn verdeckte. Als es geschafft war, wischten sie sich beide mit derselben Bewegung gelockerte Haarsträhnen aus der Stirn und mussten lachen. Vielleicht war es dieser zweite, kurze Moment der Vertrautheit, der Gleichartigkeit, der Blanka plötzlich den Mut gab, die Frage zu stellen, auf die sie schon einmal keine Antwort erhalten hatte.
    „Warten Sie – bleiben Sie doch bitte noch einen Moment.“
    „Gern …?“
    Blanka schluckte. Sie wusste nicht, wie sie die Frage stellen sollte. Aber fragen musste sie.
    „Sie waren ja bei der … der Beerdigung dabei. Ich nehme an, es war alles sehr – prunkvoll, nicht wahr? Immerhin, das Schloss … all die Angestellten und die Gutsbewohner … Sie kamen sicher alle.“
    Etwas wie Mitleid stand in Sophies Blick. Es berührte Blanka kalt, noch bevor die Gouvernante antwortete.
    „Nein“, sagte sie ehrlich. „Es waren nicht viele Menschen dabei. Der Pfarrer, natürlich, und der gnädige Herr und wir. Sonst eigentlich niemand, gnädige Frau. Es tut mir sehr leid.“
    „Niemand?“, flüsterte Blanka betroffen. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte. Und warum es sich so schmerzlich anfühlte. Da war doch immer nur Kälte gewesen, all diese Jahre …
    „Der gnädige Herr hat sich um alles gekümmert“, sagte Sophie, als wollte sie sie trösten. „Es lag ihm viel daran, dass alles – in Ordnung kam. Wenn er sie ja auch nicht so sehr gut kannte …“
    Am Ende des Satzes schien ein Fragezeichen zu hängen. Blanka lächelte abwesend.
    „Nein“, sagte sie, mehr zu sich selbst, „er kannte sie nicht gut. Er hatte natürlich um meine Hand angehalten bei ihr – mein Vater war damals schon nicht mehr da …“ Verschwommene Bilder stiegen in ihr auf: Ein lachender, bärtiger Mann, der sie hochhob und durch die Luft wirbelte und sich dann in Rauch auflöste, als habe er niemals existiert. Vater … Sie strich sich über die Stirn. „Sie war nicht sehr glücklich darüber. Ich war noch so jung, und dann war Johann natürlich ein Kaufmann, nicht von Adel. Damals noch nicht. Es gab einen großen Skandal in der Verwandtschaft.“
    Sie schluckte, lächelte trotzig.
    Sophie sah sie aufmerksam an.
    „Es ist wunderbar, dass Ihre Frau Mutter sich schließlich doch damit einverstanden erklärt hat. Die Dinge sind eben heute anders als früher. Eine Heirat ist nicht mehr nur irgendein Geschäft. Zuneigung sollte dazugehören. Wenn auch die Liebe wohl meistens erst später kommt.“
    „Liebe?“ Blankas Wangen fingen an zu glühen. „Ach, Liebe, das ist so ein großes Wort … Ich glaube auch nicht, dass es

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