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Winterkind

Winterkind

Titel: Winterkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Mer
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Frolleinchen. Aber da Sie es nun schon einmal getan ham, nehm ich die Entschuldigung an. Ich schätze, ich werd so schnell nicht wieder in den Genuss kommen.“
    Er blickte wieder auf, das Lachen immer noch im Gesicht, und dieses Mal war es breit und echt und ohne Häme. Als sie es ansah, zuckte es in ihren eigenen Mundwinkeln. Meine Güte, das war alles viel zu bizarr, um wahr zu sein … Sie räusperte sich, um nicht hysterisch aufzukichern. Sie hätte nicht gewusst, wann sie wieder damit hätte aufhören können.
    „Wollense auf mich hören?“, fragte er. „Auf den grässlichen, übelriechenden Mann?“
    Sie senkte den Kopf und er lachte wieder über ihre Verlegenheit. Er wusste nicht, dass es nicht die Worte waren, die sie dazu gebracht hatten, wegzusehen.
    Es war die Scham in seinen Augenwinkeln, während er sie aussprach.
    „Bitte“, sagte sie, zu ihren Schuhspitzen gewandt, „wollen Sie mir nicht sagen, was mit dem Stein nicht stimmt? Sie haben“, erst, während sie es sagte, erinnerte sie sich daran, „Sie haben schon einmal darüber gelacht, nicht wahr? Als Sie halfen, den Spiegel nach oben zu bringen. Warum? Was ist damit?“
    Er schwieg einen Moment.
    „Nee, Frolleinchen, ich glaub nich, dass ich Ihnen das sag. Irgendwann, irgendwie wer’nse schon drauf kommen. Ich bin eben ein grässlicher Kerl.“
    „Sagen Sie das doch nicht immer wieder“, bat sie.
    Er hustete. „Gut, wenn’s Sie so stört … Hörense jetzt auf mich, Frolleinchen? Oder wolln wir beide hier am Fleck festfrieren?“
    Sie hob den Kopf. „Warum sollte ich Ihnen trauen?“
    „Es gibt kein’ Grund“, sagte er und zuckte die Achseln. „Bloß den, dass es für mich auch kein’ gibt, Ihnen hier Unsinn zu erzählen. Trauense also nicht mir. Trauense einfach Ihrem Verstand.“
    Er schlug den Stoff wieder um den Stein. Das letzte Glitzern erstarb.
    „Meinem Verstand?“, fragte sie, als sie ihn entgegennahm, und das Wort hatte einen bitteren Geschmack. „Ausgerechnet dem? Sie haben auch etwas Unfreundliches gesagt vorhin, wie ich, und Sie hatten auch recht damit: Es war dumm, hierher zu kommen. Dumm, mir einzubilden, ich könnte ihn – ihn überreden, für ein Fräulein vom Herrenhaus sein Leben zu riskieren. Für welches auch immer.“
    Er trat einen Schritt zurück. „Manchmal isses dumm, was man tut. Aber nichts zu tun, ist meistens noch dümmer.“
    Sie versuchte ein Lächeln. Es gelang ihr nicht gut. „Werden Sie alle ein zweites Mal zum Herrenhaus kommen? Werden Sie versuchen, sich zu holen, was Ihnen – zusteht?“
    „Versuchen?“ Er legte den Kopf schief. „Meinense denn, eine von Ihnen könnte uns aufhalten?“
    Sie krampfte die Hände umeinander. „Wir würden es wenigstens versuchen.“
    „Ja“, sagte er, „das würdense wohl. Sie ganz bestimmt, Frolleinchen.“
    Er machte einen weiteren Schritt rückwärts, und dann verschwand er im Dunkeln hinter der Werkshalle.

    Im Arbeitszimmer zündete Blanka die Lampe an. Sie stellte das leere braune Fläschchen auf den Schreibtisch, daneben ein Glas mit Wasser. Aus der Rocktasche nahm sie einen kleinen Trichter, den sie in der Kellerküche gefunden hatte. Dann ging sie zu der kleinen Alabasterbüste, die ihr leblos entgegensah, drehte sie um und holte den Tresorschlüssel heraus. Als sie das Jagdbild beiseiteklappte, lächelte sie und zog mit der anderen Hand einen der Kämme aus ihren Haaren.

Sie trafen sich wieder, das Mädchen und der junge Mann, im Wald, der sie an niemanden verriet. Sie taten es, obwohl sie wussten, dass sie es nicht hätten tun dürfen. Vielleicht taten sie es auch ein wenig – deswegen. Sie dachten sich ein kompliziertes System geheimer Nachrichten aus, um sich zu verabreden. Dann schlich das Mädchen sich davon, zwischen die Bäume, obwohl ihm schauderte bei dem Gedanken, was geschehen würde, wenn die Mutter davon erfuhr. Schande! Das Wort stand ihm oft so drohend vor Augen, aber es verblasste jedes Mal wieder, sobald sie zusammentrafen. Alles andere verblasste, wenn der junge Kaufmannssohn das Mädchen anlächelte. Niemand hatte jemals so gelächelt … Im Frühling setzten sie sich auf das Gras der Lichtungen; im Sommer wanderten sie unter den duftenden Bäumen. Sie sprachen und schwiegen miteinander und wurden bald so vertraut, als hätten sie sich schon immer gekannt. Und jedes Mal wurde es schwerer für beide, wieder auseinanderzugehen.
    Als der Herbst kam, geschah es zum ersten Mal, dass sie sich küssten. Sie wussten beide

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