Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition)
amerikanisches Kommunistenehepaar, das für den KGB gearbeitet hatte, zunächst in den Vierzigerjahren in den USA als Kuriere für den Spionagering »Manhattan Project« und dann in weniger wichtigen Rollen in England. Die Krogers waren in England wegen Spionage zu 20 Jahren Haft verurteilt worden, wegen Mitgliedschaft in einem Spionagering in Portland, Englands Basis für Atom-U-Boote. Brooke, ein einfacher Doktorand, spielte keineswegs in derselben Liga wie die Krogers, und Mervyn und andere hatten den Verdacht, er sei nur eine kleine Figur in einem viel größeren Spiel. Die Krogers selbst bestätigten dies 1990 in einem Interview mit der BBC. Brooke sei eigens verhaftet worden, um die Krogers zurückzugewinnen, erklärten sie. Zu verdanken hatten sie dies der intensiven Lobbyarbeit von Konon Molody alias Gordon Lonsdale, ihrem KGB-Offizier in London, der der Verhaftung entkommen war und es nach Hause nach Moskau schaffte, als der Spionagering aufflog, es sich aber zur Aufgabe machte, die Freilassung seiner ehemaligen Agenten sicherzustellen.
Mervyn kam die Idee, dass Mila in einen möglichen Agententausch einbezogen werden könnte. »Es wird bereits von einem Brooke-Kroger-Tausch gesprochen«, schrieb Mervyn an Frederick Cumber, einen Geschäftsmann mit guten Beziehungen zur sowjetischen Botschaft. »Das bedeutet, zwei Ks für ein B. Ich persönlich finde, es gibt eine Reihe hervorragender Argumente, Mila da mit einzubeziehen. Die Russen würden es als vernachlässigbares Zugeständnis betrachten und sind sicherlich sehr darauf aus, die Krogers freizubekommen. Die monatelange Trennung lastet schwer auf uns beiden, und kein Tag vergeht, an dem ich nicht über dieses Problem nachdenke. Wir leben sozusagen durch Briefe. Ich habe inzwischen 430 von Mila erhalten und ihr in etwa dieselbe Anzahl geschickt (ohne die Postkarten mitzuzählen).«
Der Hoffnungsschimmer eines Deals erlosch allerdings schnell, nachdem die britische Regierung verkündet hatte, einen solchen Austausch nicht zu unterstützen: Das Kabinett lehnte es rundweg ab, sowjetischer Erpressung nachzugeben.
In Moskau verbrachte Mila ihre Tage mit Schallplatten zum Englischlernen. Sie wiederholte einfache Geschichten über Nora und Henry und ihren verlorenen Hund, den der Metzger schließlich zurückbrachte, zusammen mit einer Rechnung über die vom Hund gefressenen Würste. Manche Briefe von Mervyn landeten versehentlich im Briefkasten ihrer Nachbarin Jewdokija, und Ljudmila brach das Schloss mit Stricknadeln und einer Schere auf, um sie herauszuholen. In ihrem wachsenden Verfolgungswahn bat sie Mervyn um eine Liste der Briefe, die er schrieb, da sie ihre Nachbarn im Verdacht hatte, sie zu stehlen. »Sie wetzen die Messer«, fürchtete Mila. Sie schlief schlecht, geplagt von Albträumen von der Trennung, vermischt mit lang unterdrückten Erinnerungen an ihre eigene Kindheit.
»Es war, als würde man einen Fisch ins Wasser werfen.« In der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften, nachdem Ljudmila am Institut für Marxismus-Leninismus gekündigt worden war. Ljudmila und ihr Kollege Erik Schuk in spöttisch-heldenhafter Pose als Arbeiter und Kolchosbäuerin, als Rodins Bürger von Calais ; Ljudmila an ihrem Schreibtisch.
»Letzte Nacht hatte ich einen furchtbaren Traum. Ich schrie und weinte, und meine Schwester dachte, ich sei krank. Ich kann nicht glauben, dass der Traum nicht wahr war, er war so bildhaft. Jetzt schlafen alle, und ich weine immer noch. Meine Schwester sagt, der Traum sei ein sehr schlechtes Omen. Es kommt mir vor, als sei ich für dieses Unglück geboren … solch brennender Schmerz, solch perverse, raffinierte Folter. All meine Kraft und all meine Gedanken fließen in unsere Liebe. Es gibt keinen Weg zurück für mich.«
Das Außenministerium gab sich keine Mühe, seine Verärgerung über Mervyns Tiraden zu verbergen. In den Augen von Howard Smith, dem Leiter der für Russland zuständigen »Abteilung Nord«, war Mervyn bestenfalls ein lästiger Nichtsnutz. Er beantwortete seine Anrufe mit wachsender Verärgerung, die schon an Grobheit grenzte.
»Wir sind mit dem Fall von Dr. Matthews … sehr vertraut«, schrieb Michael Stewart, der Außenminister, an Laurie Pavitt, MP, die bezüglich Mervyns Anliegen geschrieben hatte. »Es wurde ihm schon mehrfach schriftlich und in persönlichen Gesprächen mit Beamten und Ministern des Außenministeriums mitgeteilt, warum wir es nicht für richtig halten, seinen Fall für offizielle
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