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Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition)

Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition)

Titel: Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Owen Matthews
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Wohnung war luxuriös, und sie hatten drei fantastische Samoware. Wir unterhielten uns lebhaft, aber mein Gastgeber wechselte in jedem Satz zwischen Russisch und Französisch, sodass ich am Ende nicht mehr wusste, welche Sprache ich sprechen sollte!«
    Alexinski Senior wurde vorgeführt, ein zerbrechlicher alter Mann, der murmelnd grüßte. Sie zeigten Mervyn das Archiv, in Kisten, gestatteten ihm aber nicht, auch nur eine zu öffnen. Die Sowjets hatten beträchtliches Interesse gezeigt, aber der alte Mann war leidenschaftlich antisowjetisch eingestellt und weigerte sich zu verkaufen. Doch sie wären eventuell bereit, das Archiv an Mervyn zu verkaufen, für nur 50 000 Francs (3700 Pfund), was in etwa Mervyns Gehalt von eineinhalb Jahren entsprach.
    Trotz des enormen Preises war Mervyn sehr aufgeregt. Er schrieb an Pjotr Nikolajewitsch Pospelow, Milas einstigen Chef am Institut für Marxismus-Leninismus, ohne den wahren Grund für sein Interesse an Leniniana zu nennen.
    »Ich weiß, dass sowjetische Historiker große Anstrengungen unternehmen, Manuskripte von Lenin in Westeuropa aufzuspüren und in das Heimatland des Großen Führers der Großen Oktoberrevolution zurückzuführen«, schrieb Mervyn in seinem besten Marxistisch. »Ich habe kürzlich entdeckt, dass sich die wertvollen Archive von Grigori A. Alexinski, einem Mitglied der Staatsduma und nahem Bekannten von Lenin, in Paris befinden. Gegenwärtig bietet Herrn Alexinskis Sohn, den ich gut kenne, mir die Möglichkeit, die Archive seines Vaters zu kaufen. Ich persönlich finde, dass Lenins Dokumente nach Moskau gehören, und würde gern dabei helfen, sie sowjetischen Historikern zur Verfügung zu stellen.«
    Die Sowjets waren begeistert. Pjotr Fedossejew, Pospelows Nachfolger, bat um nähere Informationen. Es war ein Hoffnungsschimmer.

    Mila unternahm eine Urlaubsreise zu Puschkins Gut Michailowskoje und bewunderte dort die englischen Möbel. Es schneite. Die Luft war kalt, und sie kaufte an Puschkins Grab im Swjatogorski-Kloster Antonowkaäpfel. Sie ging allein im berühmten Park des Gutes spazieren. »Muss ich Dir sagen, wie sehr ich mir wünschte, Dich bei mir zu haben?«, schrieb sie. »Ich bat die alten Bäume, den Wald und die Vögel und die Luft, mir diesen Wunsch zu erfüllen, dann begann ich, laut mit Dir zu sprechen, und rezitierte ganz, ganz sanft Puschkins Gedichte. Mervyn, mein Liebster, in mir hat sich so viel Liebe und Zärtlichkeit gesammelt, wie kann ich sie Dir nur geben? Ich liebe Dich jeden Tag mehr.«
    Als sie wieder zurück in Moskau war, sprach sie im Zentralen Telegrafenamt mit Mervyn. Er wollte keine falschen Hoffnungen wecken und sagte nichts über seine Pläne. Und doch muss sie einen gewissen Optimismus in seiner Stimme gespürt haben; als sie nach ihrem »Lebenstelefonat« nach Hause ging, sang Mila: »Mein Geliebter, denk an verzweifelten Tagen immer daran: Wenn die Nacht am dunkelsten, ist die Dämmerung am nächsten.«
    »Wir sind zwei Pendel, die im selben Rhythmus schwingen«, schrieb sie an jenem Abend. »Ich küsse das liebe Ende Deines Pendels.« Sie zeichnete zwei Strichmännchen mit riesigen Herzen auf den Brief.

    Mervyn schrieb Freunde und Bekannte um Geld an. Isaiah Berlin antwortete, er kenne in Oxford niemanden »mit einem großen Bankkonto und einem großzügigen Herzen«. Rauf Khahil, ein alter Oxforder Freund, dessen Familie so viel von Ägypten gehörte, dass Rauf immer behauptete, er »könne es nicht ertragen, daran zu denken«, war unpassenderweise ein paar Jahre zuvor auf einer Vorlesungsreise in Afrika tot umgefallen. Priscilla Johnson in Harvard, eine andere Freundin, kannte Stalins Tochter Swetlana Allilujewa, die sich 1967 in den Westen abgesetzt hatte. Mervyn konnte Priscilla überzeugen, sie zu bitten, sich für Milas Befreiung von einigen der ansehnlichen Tantiemen für ihre Bücher zu trennen, doch diese lehnte ab. Lord Thomson of Fleet, der Medienzar, mit dem Mervyn irgendwie ein zweiminütiges Treffen arrangiert hatte, gab kein Geld, dafür aber einen guten Ratschlag. »Bitten Sie den Verkäufer, Ihnen ein Optionsrecht einzuräumen«, sagte Thomson, als er Mervyn in seinem großen grauen Rolls-Royce mitnahm. »Das kostet nicht viel und lässt Ihnen freie Hand.«
    Doch ohne Geld würde Mervyns Plan nirgendwohin führen. Schlimmer noch, als Mervyn ans Institut Maurice Thorez in Paris ging und dort den Lenin-Experten Lejeune traf, erklärte dieser mit Nachdruck, die Aufzeichnungen in Alexinskis

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