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Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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hatten, grausame Verbrechen.
    »Ich dachte, ich hätte das alles hinter mir gelassen«, sagte er jetzt.
    »Wo sind sie, Erik?«, fragte ich.
    »Wo sind sie, Erik?«, echote er in höhnischem Ton.
    »Wir haben das Auto gefunden.«
    »Ich habe ihn angerufen«, sagte Werner. Er sah zum Meer.
    »Genauso, wie ich auch sie gebeten habe, mich anzurufen, die verd…« Plötzlich lachte er und sah mich wieder mit diesem Blick an. Seine Augen glühten wie von einer eigenen schwarzen Sonne. »Jetzt wollen wir mal sehen, wie scharfsinnig du bist, Erik!«

Glaubenssache
    Ich konnte den Gesang schon hören, noch ehe ich die Kirche betreten hatte. Sie schien ein neues Schild zu haben: FILADELFIA. Die Buchstaben liefen über dem Eingang von links nach rechts über den Giebel.
    Als ich vom Bahnhof kommend durch den Ort ging, brach gerade die Sonne durch. Die Wolken waren mit dem Zug, mit dem ich gekommen war, weitergezogen. Es war Mittwochnachmittag, und die Straßen waren ausgestorben.
    Auf dem Gelände der Josefssons bellte ein Hund. Am Ende der Straße hatte ich den Eingang vom Fußballplatz gesehen. Dahinter fing der Wald an. Durch die Bäume konnte man das Sägewerk erkennen.
    Die Sonne spiegelte sich im Fenster des Schuhladens, der gegenüber der Pfingstkirche lag. In diesem Moment hörte ich den Lobgesang des Herrn.
    Die Gemeindemitglieder sangen aus vollem Halse. Die Kirche war voll besetzt, wie immer in unserer Gemeinde. Ich stand noch im Eingang. Es roch nach frischer Farbe. Der Gesang verstummte, und der Pfarrer begann zu reden. Ich sah, wie er mir unmerklich zunickte, aber vielleicht war auch Gott gemeint. Er sprach vom Glück in der Nähe Gottes. Die Menschen saßen mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen in den Bänken und sprachen leise mit sich selbst, vielleicht auch mit Gott oder seinem Sohn Jesus, dessen Name in dem murmelnden Brummen regelmäßig zu vernehmen war.
    Sie sangen noch einmal, dann war der Gottesdienst vorbei. Die Leute standen auf und gingen im Schein der sinkenden Sonne hinaus. Die Sonne hatte sich in die Kirche gedrängt und das Kreuz an der Altarwand getroffen. Sie ließ es golden erstrahlen.
    Ich stand noch im Eingang und nickte einigen Leuten aus der Gemeinde zu. Der Pfarrer stieg vom Podium und kam auf mich zu.
    »Da haben wir ja den Hirten«, sagte ich.
    »Willkommen daheim, Andreas.« Er drückte meine Hand. »Lange nicht gesehen.«
    Wir hatten uns wirklich lange nicht mehr gesehen. Ich war vor fast zwanzig Jahren hier weggezogen und kam nicht oft zu Besuch. Jacob war geblieben. Sein Vater war Pfarrer gewesen, und da wurde der Sohn auch Pfarrer. Man könnte fast sagen, dass Jacob das Familienunternehmen übernommen hatte.
    »Schön, dich hier bei uns zu sehen«, sagte er.
    »Ich habe gehört, wie schön ihr singt.«
    Er nickte mir zu, dann nickte er auch einigen der Schäfchen aus seiner Herde zu, die auf dem Weg hinaus in die Sommerwiesen waren.
    »Bleibst du lange hier?«, fragte er und sah mich wieder an.
    »Vielleicht ein paar Tage. Mama geht es nicht gut, sie braucht Hilfe, ja, und ich hatte etwas Urlaub, den ich nehmen konnte.«
    Eigentlich war es eine Entscheidung gewesen, die andere für mich getroffen hatten: meine kranke Mutter, die gerade nach einer Operation nach Hause gekommen war, und mein Vorgesetzter, der die Erschöpfung in meinem Gesicht immer deutlicher zutage treten sah und schließlich bemerkte, wie meine Untergebenen darunter zu leiden hatten.
    »Ich kann mir vorstellen, dass man in so einem Job viel Urlaub braucht«, sagte Jacob. »Das muss sehr anstrengend sein bei der Polizei.«
    »Alle Berufe haben ihre anstrengenden Zeiten«, sagte ich. »Deiner auch, nehme ich mal an.«
    »Aber es ist immer noch etwas anderes als der Beruf eines Polizisten«, erwiderte er. »Du bist doch Kripobeamter, oder?«
    »Kriminalkommissar.«
    »Das klingt … nach viel. Kommissar, wo du noch so jung bist.«
    »Ich bin immerhin achtunddreißig, Jacob. Genau wie du.«
     
    Am Abend saß ich mit meiner Mutter in der Küche, wo ich in jüngeren Jahren so oft gesessen hatte. Die Sommerdämmerung duftete durch die geöffneten Fenster. Wir sprachen über alles, was sich in der letzten Zeit ereignet hatte, und dann ging sie früh zu Bett. Ich blieb noch auf, trank ein Bier und horchte auf die Stille, die hier so viel größer war als in der Stadt. Die Stadt war gar nicht so weit entfernt, aber sie war doch eine völlig andere Welt.
    Es fiel mir schwer einzuschlafen, nachdem ich ins Bett

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