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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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wieder.
    „Ihr wolltet einen König“, erwiderte sie leise.
    „Du hast uns belogen.“
    „Und ich habe euch einen König gegeben. Ich habe euch gegeben, was ihr wolltet.“
    „D u … has t … gelogen.“
    „ Sag das nie wieder!“ , schrie sie so heftig, dass die anderen zusammenzuckten. „Es gibt Schlimmeres als eine Lüge und es gibt Besseres als die Wahrheit!“
    Er starrte sie fassungslos an. „Wer bist du?“
    „Für wen hältst du mich denn?“ In ihren Augen standen Tränen, und er selbst hätte auch am liebsten geweint, damit er sie nicht ansehen musste. Damit er ihren Verrat nicht sehen musste.
    „Ich habe dich einst gebeten, mir zu vertrauen.“
    Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Haben die Charyniten dich geschickt?“ Er trat ganz nahe an sie heran und sie ballte die Fäuste. „Oder bist du eine Anhängerin Sagramis, die den dunklen Künsten anhängt und darauf aus ist, noch mehr Unheil anzurichten?“
    „Wenn ich das bin, dann kannst du mich gerne auf dem Scheiterhaufen verbrennen!“, schrie sie. „So wie es damals die Bewohner von Lumatere gemacht haben, als sie herausfanden, dass ihr König tot war. Irgendjemandem musste man die Schuld dafür geben. Irgendjemand musste sterben. So ist es immer, wenn die Männer es sich mit ihrem Verstand allein nicht erklären können, weshalb eine alte Frau unschuldiges Blut an den Händen hat oder warum eine andere durch die Träume unseres Volkes wandern kann. Was ihr nicht versteht, das zerstört ihr.“
    Perri schnaubte angewidert. Evanjalin wirbelte herum und funkelte ihn an. „Das hat deine Sippe Tesadora und ihrem Volk über Jahre hinweg angetan, Perri. Deine Leute haben dich gelehrt zu hassen. Dein Vater zwang dich zuzusehen. Er zwang dich sogar, ihre Hand zu nehmen und sie in den Ofen zu legen und zuzusehen, wie sie verbrannte. Und du hast es gemacht, mit Tränen in den Augen, denn du warst noch ein Kind und hast natürlich geglaubt, was dein Vater dir sagte. Deshalb nennt man dich auch den Wilden.“
    „Was du über den König gesagt hast, war gelogen!“, schrie Finnikin. „Was gibt es da zu verstehen? Die Menschen warten vor den Toren von Lumatere. Sie warten auf ihren König.“
    Trevanion legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm, aber Finnikin stieß ihn weg, er war außer sich vor Wut.
    „Wenn diesen Menschen etwas zustößt, dann werde ich dich in meinem Amt als Sir Tophers Oberster Ratgeber zur Verantwortung ziehen“, sagte er und schwang sich in den Sattel. „Du sollst verflucht sein, falls sich herausstellen sollte, dass wir alle vertriebenen Lumaterer in den sicheren Tod geführt haben.“
    Sie erreichten die Kreuzung. Froi, der hinter Finnikin auf dem Pferd saß, hielt sich eisern fest. Aber er zitterte am ganzen Leib, das spürte Finnikin. Perri und Trevanion kamen an ihre Seite geritten. In ihren Gesichtern spiegelten sich Kummer und Hoffnungslosigkeit. Das Schild Richtung Norden wies den Weg nach Lumatere, erst vor fünf Tagen hatte Finnikin es selbst ausgebessert. Aber vor fünf Tagen war die Welt auch noch eine andere gewesen. Da hatten sie noch an die Weissagung von der Wiederkehr des Königs glauben können.
    Unterwegs hatte er Evanjalins Blicke auf sich gespürt; sie war hinter ihm auf Trevanions Pferd mitgeritten. Jetzt drehte er sich um und sah sie an. Sie war gerade dabei, vom Pferd zu steigen und ihr Bündel loszubinden. Sie kam ihm so klein und verletzlich vor, wie sie dastand, inmitten der fünf, und nun mit zitternder Hand nach Osten zeigte.
    „Steig wieder auf, Evanjalin“, sagte Trevanion erschöpft.
    Sie schüttelte den Kopf. „Ich gehe nach Osten.“
    Niemand regte sich, keiner sagte ein Wort.
    „Wir reiten nach Norden, ins Tal“, entschied Finnikin. „Und dir bleibt nichts anderes übrig, als mitzukommen. Los, steig auf, Evanjalin.“
    Wieder schüttelte sie den Kopf. „Wenn du glaubst, dass ich ein Verbrechen begangen habe, dann halte mich mit deinem Dolch zurück. Wenn nicht, dann gehe ich nach Osten. Die Götter sprechen zu mir im Schlaf. Sie weisen uns einen Weg, dessen Ziel nur sie allein kennen. Aber ich vertraue ihnen.“
    „Ach ja, du hast die Gnade göttlicher Eingebungen“, höhnte Finnikin. „Musst du dafür bluten?“
    Der Schmerz in ihren Augen war echt. „Die Götter haben auch schon einmal zu dir gesprochen. Und du hast auf sie gehört. Aber die Götter sind stolz, sie sprechen nicht zu denen, die nicht daran glauben, dass es etwas gibt, was mächtiger ist als die

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