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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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Charynit, der immer wütender wurde.
    „Lumatere wurde Schlimmeres von seinen Nachbarn angetan“, übersetzte Finnikin die Antwort seines Vaters.
    „Und wer bist du?“, wollte der Soldat wissen. Die Frage war an Trevanion gerichtet.
    Finnikin übersetzte, obwohl er wusste, was jetzt zweifellos kommen musste. Den Soldaten erwartete sicherlich eine Beförderung am Hof von Charyn, wenn er Trevanion gefangen nähme, aber Finnikin wusste auch, dass seinem Vater keine andere Wahl blieb. Wenn Trevanion siegte, würden die Vertriebenen überleben, wenn nicht, würden sie sterben. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.
    „Ich bin der Hauptmann der Königlichen Garde von Lumatere“, antwortete Trevanion.
    Alle Jungen aus Lumatere blickten verwundert auf, und die Hoffnung, die in ihren Augen aufflackerte, machte Finnikin stolz. Ein oder zwei junge Burschen streckten die Fäuste in die Luft, um ihre Verbundenheit kundzutun. Moss und Perri erwiderten diese Geste. Den Soldaten aus Charyn wurde langsam etwas mulmig, und sie warteten darauf, dass Finnikin übersetzte. Zufrieden bemerkte Finnikin, dass ihnen Schweißtropfen auf die Stirn traten.
    „Was habt ihr mit diesen Leuten vor?“, wollte Trevanion wissen. Finnikin übersetzte.
    „In unserer Baracke ist jemand, der behauptet, er sei der Thronerbe von Lumatere“, antwortete der Charynit. „Ein falscher Anspruch auf einen Thron, der einem anderen gehört, den unser König schon vor zehn Jahren anerkannt hat. Was für eine Beleidigung, die Entscheidung unseres Königs als null und nichtig zu bezeichnen! Und diese Leute hier haben diesem dreisten Menschen offensichtlich Unterschlupf gewährt. Sobald wir die Wahrheit herausbekommen haben, werden wir sie laufen lassen, Hauptmann.“
    „Und sobald ihr unsere Leute laufen lasst“, erwiderte Trevanion, nachdem Finnikin übersetzt hatte, „werde ich meine Männer hier überreden, euch am Leben zu lassen, Truppenführer.“
    „Leutnant“, verbesserte ihn der Soldat. „Glaubt ihr, wir haben Angst, zu euch hinüberzukommen? Glaubt ihr, Osteria würde wegen einer solchen Nichtigkeit einen Krieg mit uns beginnen? Glaubt ihr, Osteria interessiert, was wir hier am gottverlassensten Zipfel des Königreichs mit diesem Abschaum aus Lumatere anstellen? Ihr seid zu fünft, Hauptmann, aber wir sind viel mehr. Heute habt ihr einen Fehler gemacht.“
    Der Leutnant packte einen Jungen aus Lumatere an den Haaren, zerrte ihn auf die Füße und hielt ihm das Schwert an die Kehle. Eine der Frauen begann laut zu jammern. Seine Mutter, dachte Finnikin bei sich, und betrachtete das Gesicht des Jungen. Nur ein schmaler Streifen Wasser trennte sie. Während all der Jahre hatte Finnikin viele Lumaterer gesehen, die so alt waren wie er und in namenlosen Gräbern lagen. Er hörte von solchen, die am Fieber gestorben waren, und sah andere, die der Schmerz der Verbannung gebeugt hatte. Aber dieser Junge hier lebte, und in seinen Augen brannte ein Feuer und es loderte die Wut.
    „Man muss das tun, was getan werden muss“, murmelte Trevanion vor sich hin. Dann war er schon mitten im Fluss, nur noch einen Schritt von dem Soldaten entfernt, und zielte mit dem Bogen genau zwischen dessen Augen. Nur Sekunden später hatte Finnikin einen Pfeil aus seinem Köcher gezogen, den Bogen gespannt und stand neben seinem Vater; er zielte auf dieselbe Stelle. Er spürte geradezu den Atem des Charyniten und des jungen Burschen vor ihnen. Um ihn herum hatten alle ihr Schwert gezogen, hinter ihm hatten alle ihren Bogen angelegt.
    „Wir mögen nur zu fünft sein, Leutnant“, gab Finnikin zu und ließ den Charyniten keinen Moment lang aus den Augen, „aber lasst euch eins gesagt sein: Ehe auch nur einer von euch sein Schwert zieht, hat jeder von uns schon fünf Pfeile abgeschossen. Und du wirst der Erste sein, der fällt. Den zweiten, dritten, vierten und fünften Pfeil werde ich auf jene abschießen, die meine Gefährten bedrohen. Mein Vater wird auf die Soldaten anlegen, die die Frauen von Lumatere bewachen, und meine Freunde haben dann genügend Zeit, um auch den Rest von euch zu erledigen. Ihr könnt euch also entscheiden: Wollt ihr leben oder sterben?“
    Der Leutnant wich Finnikins Blick nicht aus. Plötzlich blinzelte er. Im selben Moment bemerkte Finnikin, dass jemand neben ihn getreten war. Aus den Augenwinkeln sah er eine Pfeilspitze, denn die Person neben ihm hatte die gleiche Stellung eingenommen wie er und sein Vater.
    „Wird hier Charynitisch

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