Winterlicht
gesprochen?“, hörte er jemanden barsch fragen. „Meine Kenntnisse sind etwas dürftig, obwohl mein Vater mich immer dazu angehalten hat, die Sprache unserer Nachbarn zu erlernen. Es könnte einem zustattenkommen, wenn man am Arsch der Welt neben den größten Arschlöchern im ganzen Land wohnt.“
Finnikin hörte, wie Sir Topher ein Lachen unterdrückte.
„Also entschuldigt bitte meine schlechte Aussprache“, fuhr der Fremde fort. „Darf ich eure Aufmerksamkeit jetzt vielleicht auf die Hügel hinter mir lenken?“
Finnikin sah, wie der Leutnant nach oben blickte und merklich blasser wurde.
„Und darf ich dich daran erinnern, dass Ziegenhirten aus Osteria uns nicht den Krieg erklären können“, parierte der Leutnant.
„Natürlich. Und darf ich euch im Gegenzug daran erinnern, dass wir nicht aus Osteria sind. Wir sind Monts. Wenn ich mich vorstellen darf, ich bin Lucian aus den Bergen. Und wenn es darauf ankommt, schnell und geschickt mit Pfeil und Bogen umzugehen, dann ist mein Vater noch weitaus geschickter als seiner“, sagte er und zeigte auf Finnikin. „Wenn ich jetzt also tatsächlich Furcht in euren Gesichtern lese, dann seid ihr wenigstens so gescheit zu merken, dass euch Gefahr droht.“
Finnikins Knie wurden weich, so erleichtert war er. Sein Rivale und Freund aus Kindheitstagen stand neben ihm: Anlass genug, um wieder Hoffnung zu schöpfen. Wenn die Monts sich hier in der Gegend aufhielten, dann war Evanjalin sicherlich bei ihnen.
Aber diese Hoffnung währte nicht lange.
Der Leutnant lockerte seinen Griff, mit dem er den Jungen festhielt, und als er seine linke Hand hob, sah Finnikin einen rubinroten Ring an seinem Finger aufblitzen. Es überlief ihn eiskalt, als ihm klar wurde, dass Froi den Soldaten in die Arme gelaufen war. Er versuchte sich daran zu erinnern, was der Soldat gesagt hatte. Nämlich dass sie jemanden festhielten, der Anspruch auf den Thron erhob.
„Sir Topher“, sagte er leise.
„Ich sehe es, Finnikin.“
„Lass dir nichts anmerken“, mahnte Trevanion.
Der Charynit hatte ihre Unterhaltung bemerkt. „Leutnant?“, rief ihm einer der Soldaten zu, und die Angst schwang in seiner Stimme mit. „Sie kommen den Hügel herab. Zu Hunderten.“
Finnikin sah, wie der Leutnant schluckte; sein Blick war immer noch auf Trevanion gerichtet.
„Tut unseren Leuten nichts und lasst sie gehen, dann werden wir euch verschonen“, versprach Sir Topher.
Während sich immer mehr Monts mit erhobenen Waffen zu ihnen gesellten, ließ Trevanion seinen Bogen sinken und ging zum jenseitigen Ufer, genau darauf bedacht, keinen Fuß auf das Land der Charyniten zu setzen. Er streckte den Frauen die Hand hin. Eine kam schluchzend auf ihn zu und drückte ihm ihre zwei Kinder in den Arm. Langsam überquerten alle den Fluss. Finnikin hielt die Stellung neben Lucian. Sie zielten weiter auf den Soldaten, der auch jetzt noch seinen Gefangenen festhielt. Erst als die Hälfte der Leute den Fluss überquert hatte, schubste der Charynit den Jungen weg und machte sich aus dem Staub.
Erst jetzt nahm Lucian aus den Bergen sich die Zeit, seinen alten Freund aus Kindheitstagen zu mustern. Finnikin fand, dass der Mont sich eine Spur zu überheblich aufführte und so tat, als hätte er ganz allein die Lage gemeistert. Aber er war zu alarmiert, um eine Bemerkung darüber zu machen.
„Ist Evanjalin bei euch?“, fragte er und zog Lucian von einem Mädchen aus Lumatere weg, dem er schöne Augen machte.
„Wer?“, fragte Lucian.
„Sie ist eine Mont“, sagte Finnikin ungeduldig.
„Bei uns gibt es niemanden, der Evanjalin heißt“, antwortete Lucian geringschätzig.
Finnikin ließ von Lucian ab und machte sich auf die Suche nach Saro, der Anführer der Monts und Lucians Vater war. Als er ihn gefunden hatte, umarmte Saro ihn. Er war mindestens zehn Jahre älter als Trevanion und von Furcht einflößender Statur, aber sein Lächeln war freundlich. „Dein Vater muss stolz auf dich sein, Finnikin.“
„Ich danke Euch, Saro. Wir sind auf der Suche nach einer Freundin, die mit uns gereist ist. Sie ist eine Mont. Ihr Name ist Evanjalin. Habt Ihr sie in den vergangenen beiden Tagen zufällig getroffen?“
Saro schüttelte bestürzt den Kopf. „Du kannst nicht mit einem Mädchen von den Monts unterwegs gewesen sein. Unsere Leute sind vollzählig. Wir haben jeden Einzelnen wieder aufgespürt nach diesem entsetzlichen Tag.“
„Sie heißt Evanjalin“, wiederholte Finnikin. „Sie behauptet, sie sei eine
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