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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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gefangen hielten. Finnikin hielt es für einen Fehler, nicht sofort durch das Wasser zu waten und einzuschreiten. Als sie angekommen waren, hatten sich die Soldaten lässig am Ufer postiert. Hinter ihnen kauerten die Flüchtlinge. Man hatte sie aufgeteilt: in eine Gruppe mit Frauen und Kindern, in eine andere mit erwachsenen Männern und in eine mit Heranwachsenden. Die Männer saßen auf der Erde, Frauen und Kinder standen da, ängstlich aneinandergeklammert. Eine Mutter hielt ihrem jammernden Kind entsetzt den Mund zu, denn sie ahnte, was passieren würde, wenn es ihr nicht gelang, das Kind zum Schweigen zu bringen. Finnikin wusste, was die Soldaten mit diesen Leuten vorhatten. Und was noch schlimmer war: Die Vertriebenen wussten es auch. Die meisten von ihnen kamen aus dem Hauptdorf von Lumatere. Die Leute dort waren Händler und Handwerker, und sie waren unverwechselbare Persönlichkeiten. Sie waren bescheiden und würdevoll zugleich, sodass sogar die Königin ihre Kinder aufforderte, sie nachzuahmen. „Wenn du im Leben nicht das bekommst, was du willst, Balthasar“, hatte Finnikin sie oft sagen hören, „dann mache es wie die Leute aus dem Dorf. Geh aufrecht und füge dich in das Unvermeidliche.“
    Ein älterer Mann hatte den Kopf auf die Knie gestützt. Er blickte auf, als er die Fremden am Ufer stehen sah. Finnikin las in seinem Gesicht, wie sich Verzweiflung in Wiedererkennen, Wiedererkennen in Freude wandelte. Der Mann gab seinem Nachbarn einen Stoß. Aufgeregtes Raunen durchlief die Runde, nur nicht bei den jungen Männern aus Lumatere. Anders als ihre Väter und Onkel wussten sie ja nicht, wer Trevanion und Perri waren. Vielleicht befürchteten sie sogar, dass die fünf Leute auf der osterianischen Seite des Flusses ihr Elend noch verschlimmern wollten. So oder so hielten sie sich für Todgeweihte. Finnikin las es in ihren Gesichtern.
    Einer der Soldaten kam näher, seine Stiefelspitze berührte das Wasser. „Geht zurück und bewacht diesen Haufen Unrat“, wies er seine Männer an. „Ich kümmere mich währenddessen um diese hier.“
    Finnikin spürte, wie Sir Topher neben ihm erstarrte, und er war froh, dass Trevanion, Moss und Perri die Sprache der Charyniten nicht verstanden. Diese Männer langweilten sich, wie Perri schon vermutet hatte. Sie mussten einen Übergang bewachen, den kaum jemand benutzte und der zwei Tagesritte von der Hauptstadt entfernt lag. Da erschien es ihnen wohl als willkommene Abwechslung, dreißig unbewaffnete Vertriebene als Geiseln zu nehmen. In den Gefangenenbergwerken hatte Finnikin seinen Vater einmal gefragt, wie Menschen es fertigbrachten, einander all diese schrecklichen Dinge anzutun. „Sie haben aufgehört, ihre Mitgefangenen als Menschen zu betrachten“, hatte sein Vater nur geantwortet.
    Der Soldat, der mit einem Fuß im Wasser stand, war noch jung. Finnikin roch seinen Ehrgeiz und sah seinen verblendeten Blick. Er hätte es lieber mit einem Wahnsinnigen oder Wutentbrannten zu tun gehabt als mit so einem Mann, der von seiner eigenen Wichtigkeit derart überzeugt war. Der charynitische Soldat blickte sie durchdringend an. Finnikin konnte sich denken, was ihm durch den Kopf ging: fünf Männer, mit Schwertern und Bogen bewaffnet. Sie hatten sicher genug Bolzen in ihren Köchern, um ein Massaker unter den fünfzehn Soldaten anzurichten.
    „Im Namen der Regierung von Lumatere befehlen wir euch, unsere Leute freizulassen“, sagte Sir Topher zu ihm in charynitischer Sprache. Finnikin hörte, wie seine Stimme vor Zorn bebte.
    Der Charynit lachte, aber es war ein Lachen ohne Freude. „Die Regierung von Lumatere? Alter Mann, wenn du auf dieser Seite des Flusses stündest, dann würde man dich wegen dieser Äußerung ins Gefängnis werfen, denn du beleidigst den König unseres Nachbarreichs.“ Er sprach zu ihnen wie zu ungehorsamen Kindern.
    Finnikin übersetzte die Worte des Soldaten für Trevanion, Moss und Perri.
    „Übersetze wortwörtlich, Finnikin“, befahl ihm sein Vater, während er den Charyniten nicht aus den Augen ließ. „Sag ihm: Wenn wir auf der anderen Seite des Flusses wären, dann würde keiner von ihnen mehr aufrecht stehen. Sag ihm, dass der gegenwärtige König von Lumatere ein Thronräuber und ein Mörder ist, den unwissende Menschen widerrechtlich eingesetzt haben.“
    Finnikin übersetzte die Botschaft seines Vaters.
    „Den König von Lumatere einen Thronräuber zu nennen ist eine Beleidigung für jedes Königreich im Land“, bellte der

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