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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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seinen Vater auf dem großen Platz von Lumatere gesehen, vor einem provisorisch aufgestellten Richterstuhl. Die Soldaten des Thronräubers hatten ihn gezwungen niederzuknien, und Finnikin erinnerte sich noch gut daran, dass Trevanions treue Männer in ohnmächtiger Wut die Fäuste geballt hatten. Zehn von ihnen waren nötig gewesen, um Perri den Wilden von einem Angriff auf die Soldaten zurückzuhalten. Da war auch schon das Urteil über Beatriss und Trevanion gesprochen worden: „Tod den Verrätern! Verbannung für die Mitwisser!“
    Bei diesen Worten hatte sein Vater den Kopf gehoben und seinen Sohn in der Menge gesucht. Die Trostlosigkeit in seinem Blick verfolgte Finnikin jahrelang. Sogar auf Knien hatte Trevanion aus dem Flussland noch wie ein Hüne gewirkt, das schwarze Haar kurz rasiert, die Haut bronzefarben schimmernd, die Züge ebenmäßig.
    Der Mann, der jetzt vor Finnikin stand, war für ihn ein Fremder. Das strähnige, verknotete Haar hing ihm wild ins Gesicht und hatte schon mehrere graue Strähnen. Dabei strahlten Trevanions matte Augen keinerlei Wärme aus. Finnikin fiel es schwer, in dieser Gestalt jenen Mann zu erkennen, der ihn als Kind auf den breiten Schultern getragen hatte. Jenen Mann, der neben Lady Beatriss gelegen und zärtlich ihre müden Finger massiert hatte. Jenen Mann, der ihr Worte ins Ohr geflüstert hatte, die ihr Gesicht sanft hatten erglühen lassen.
    „Vater?“ Es war ein seltsames Gefühl, dieses Wort laut auszusprechen.
    Trevanion nickte. „Kannst du aufstehen?“
    Die Gefängniszelle war eine schmale Felsnische, kalt und feucht. Sie bot nur wenig Platz für einen Menschen, geschweige denn für zwei.
    „Erzähl mir von dem Mädchen“, sagte Trevanion.
    „Von dem Mädchen?“
    „Der Teufelsbrut.“
    Die Zelle war dunkel und die flackernde Fackel draußen vor der Tür spendete nur wenig Licht. Finnikin rutschte näher an Trevanion heran. „Was weißt du über sie?“
    „Sie hat mich in der Nacht deiner Ankunft aufgesucht.“ Trevanion sprach hastig, als rechnete er jeden Augenblick damit, von den Wächtern gestört zu werden.
    „Hier im Gefängnis?“, fragte Finnikin.
    „Ist sie Freund oder Feind?“, wollte Trevanion wissen.
    „Wer kann das so genau sagen? Das Lagrami-Kloster in Sendecane hat sie uns an den Hals gehängt.“
    „Dann bist du also bis ans Ende der Welt gereist“, murmelte sein Vater.
    „Sie behauptet, dass sie durch die Träume unserer eingesperrten Landsleute wandeln könne.“
    „Der Menschen in Lumatere?“
    Finnikin nickte. „Und dass sie Verbindung aufgenommen hätte mit dem Thronerben. Mit Balthasar.“
    „Gnadenreiche Göttin“, seufzte Trevanion. „Was für eine Tücke steckt hinter einer solchen Lüge?“
    „Und du sagst, sie hat dich hier aufgesucht?“
    „Sie hält Pferde für uns bereit, in einer Schlucht bei dem Schrein der Sagrami.“
    „Pferde!“, schnaubte Finnikin.
    Trevanion legte ihm rasch die Hand über den Mund. „Still!“
    „Wir haben gerade mal ein Pferd“, zischte Finnikin. „Was erwartet sie von uns? Dass wir hier einfach rausmarschieren? Mit freundlicher Unterstützung der Gefängniswärter?“
    „Wie dem auch sei, ich muss dich irgendwie von hier wegbringen. An diesem Ort kann ich nicht auf uns beide aufpassen.“
    Noch bevor Trevanion seinen Satz vollendet hatte, schüttelte Finnikin den Kopf. „Wir werden beide gehen. Außerdem brauche ich keinen Aufpasser.“
    „In den Minen schon“, widersprach ihm Trevanion schroff.
    „Erwarte nicht von mir, dass ich ohne dich gehe, Vater.“
    Trevanion gab keine Antwort.
    „Entweder wir gehen beide ode r …“
    Trevanion packte Finnikin am Kragen seiner Häftlingskluft. „Du tust genau das, was ich dir sage, verstanden?“, herrschte er ihn an. „Ich will keine Widerworte mehr hören.“
    Finnikin befreite sich aus seinem Griff und schüttelte entschlossen den Kopf. „Ich gehe nirgendwohin ohne Euch, Sir.“
    Trevanion holte tief Luft. „Ich habe schon oft mit ansehen müssen, wie die Wärter den Leichnam eines jungen Burschen wie dich hinausgeschleift haben. Glaub mir, du willst lieber nicht wissen, was sie vorher mit ihm angestellt haben.“
    Aber Finnikin gab sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Nicht, nachdem er zehn lange Jahre ausgeharrt hatte. „Ich. Gehe. Nicht. Ohne. Dich.“
    Dann rutschte er so weit wie möglich weg von seinem Vater und rollte sich zusammen mit der bitteren Gewissheit, dass er schnurstracks in Evanjalins Falle getappt

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