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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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wusste, dass Augustin so etwas vorhat“, erwiderte Trevanion trocken. „Und wenn Corden etwas nicht leiden kann, dann ist es ein Verstoß gegen das Protokoll.“
    „Sir Topher nennt ihn den Benimm-Tyrannen“, sagte Finnikin. „Für mich ist er ein Geschwür am Arsch. Aber er verschafft uns immer wieder Reisegeld, indem er den König von Osteria von unserer Nützlichkeit überzeugt. Immerhin ziehen wir ganz unauffällig durch die Lande. Für ein paar interessante Auskünfte hat seine Leibgarde an meinen Schwertkünsten gefeilt.“
    „Ihr seid Spione?“
    „Wir sammeln Auskünfte.“ Finnikin stützte sich auf den Ellbogen und sah seinen Vater an. „Erfährst du eigentlich, was draußen vor sich geht? Von den Wärtern oder vom Botschafter?“
    Trevanion schüttelte den Kopf. „Nicht in den letzten sieben Jahren. Es war meine eigene Entscheidung, ich wollte nichts hören.“
    „Wie schätzt du den Thronräuber ein?“, fragte Finnikin.
    „Er ist eine Marionette, deren Fäden in Charyn gezogen werden“, antwortete Trevanion prompt.
    „Gut.“
    Der Hauch eines Lächelns huschte über Trevanions Gesicht.
    „Na, da bin ich aber froh, dass wir einer Meinung sind.“
    „Dass Charyn im Hintergrund intrigiert, haben wir immer vermutet“, sagte Finnikin. „Aber erst vor Kurzem hat es mal jemand laut und deutlich ausgesprochen.“
    Er fing an, Trevanion ihre Pläne für ein neues Lumatere auf fremdem Gebiet zu erklären. Er versuchte seinem Vater das Leid der Vertriebenen vor Augen zu führen, doch es fiel ihm schwer, die richtigen Worte zu finden. Kaum gelang es ihm, über das Blutbad von Sarnak zu sprechen. Dort hatte sich das größte Flüchtlingslager am Fluss befunden. Es hieß, dass etwa zweihundert Lumaterer an diesem Ort den Tod gefunden hatten.
    „Hast du dich jemals gefragt, ob die Menschen in Lumatere nicht womöglich besser dran sind als die Verbannten?“, fragte Finnikin.
    Trevanion schüttelte den Kopf. „Als ich den König wegen seiner Garde und der Drachenschiffe herausforderte, ging es mir nicht nur um die Schwäche des damaligen Hauptmanns, Finnikin, sondern vor allem um seine Verkommenheit. Mir war zu Ohren gekommen, dass sich entsetzliche Gräueltaten in den Palastkerkern abspielten.“
    Danach herrschte eine Zeit lang Stille. Finnikin betrachtete die verhärmten Gesichtszüge seines Vaters.
    „Was ist mit den Monts?“, fragte Trevanion schließlich.
    „Sie sind spurlos verschwunden. Aber wir glauben, dass Evanjalin ihren Aufenthaltsort kennt.“
    „Evanjalin?“, fragte sein Vater.
    „Die Teufelsbrut“, erinnerte ihn Finnikin.
    Trevanion grunzte. „Wann bist du zuletzt irgendwelchen Monts begegnet?“
    „Im Tal der Stille“, antwortete Finnikin. „Saro hat seine Leute noch vor dem Tag der Verfluchung dorthin geführt, sofort nachdem er vom Tod der Königin gehört hatte.“
    Er dachte zurück an die Schrecken jenes Tages. An die Trauer der Königinmutter, der Yata aus den Bergen, und daran, wie sie aufheulte: Meine süßen Kleinen. Wo sind meine süßen Kleinen? Viele waren weggegangen, weil sie es nicht ertrugen, andere hielten sich die Ohren zu, um ihre verzweifelten Worte nicht hören zu müssen, aber Lucian war seiner Großmutter nicht von der Seite gewichen. In respektvollem Abstand hatte Finnikin zusammen mit den Monts die Totenwache gehalten.
    Trevanion sprach in dieser Nacht nur noch ein einziges Mal.
    „Das Mädchen“, sagte er.
    „Evanjalin?“
    „Sie trägt den Namen meiner Mutter.“

Kapitel 8

    E ine Woche nach seiner Gefangennahme durfte Finnikin zum ersten Mal ins Freie gehen. Die frische Luft war eine Wohltat, daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er in einer Gruppe arbeitete, die alle Niedertracht der Welt in sich zu versammeln schien. Die Häftlinge, die aneinandergekettet draußen schufteten, stammten immer aus fremden Ländern. Auf diese Weise konnten die Wärter sicher sein, dass sie bei einem Ausbruchsversuch auf Gedeih und Verderb den Einheimischen ausgeliefert würden. Und die hatten etwas gegen Fremde, sodass die Ausreißer rasch wieder in den Minen landen oder, schlimmer noch, an einem Ast baumeln würden.
    Sobald der Oberaufseher Finnikin Anweisungen gab, die er für die anderen übersetzen sollte, fingen seine Mithäftlinge an zu knurren und die Zähne zu fletschen.
    „Sie verachten es, wenn die Übersetzer allzu beflissen sind“, murmelte Trevanion. „Sie glauben, dass sie Spitzel sind.“
    Und so wurde es einer der längsten Tage, die

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