Winterlicht
Gefangenen in einer der größeren Höhlen auf. Von den Wänden tropfte Wasser, das sich bald mit Blut mischen würde, denn Trevanion war fest entschlossen, jeden zu Brei zu schlagen, der es wagte, seinen Jungen für sich zu beanspruchen. Und es gab nicht den geringsten Zweifel, dass er dazu in der Lage war. Das Flussvolk von Lumatere brachte seit jeher die größten Männer des Landes hervor, und so überragte auch er die meisten seiner Mithäftlinge. In seiner Anfangszeit hatten sie ihn zu mehreren angegriffen, bis sie gemerkt hatten, dass es viel zu gefährlich war, ihn herauszufordern.
Jetzt machte sich allgemeine Unruhe breit und Trevanion bemerkte, wie die Wachen mit einem der Gefangenen aus Sorel besorgte Blicke tauschten.
„Sie haben Angst, dass du sie zu Krüppeln schlägst, Trevanion.“
„Darauf bin ich nicht aus.“ Er sprach ruhig, aber allein sein Blick brachte die Hälfte seiner Gegner vom Kampf ab.
Der Junge sah verängstigt aus und Trevanion hätte alles darum gegeben, ihm Mut zusprechen zu können. Aber zuerst musste er diesen Abschaum fertigmachen, danach konnte er sich dem Jungen widmen.
In dieser Nacht musste er sich gegen fünf Männer behaupten. Blut floss, die Knochen knackten und die Fäuste fuhren krachend nieder, dass es von den Felswänden nur so widerhallte. Es wurde nicht allzu hoch gewettet, denn der Ausgang schien vorhersehbar. Schließlich war es Zeit für den Jungen. Trevanion gönnte sich einen Augenblick, um zu überlegen, wie er seine Fäuste gegen einen so jungen, unerfahrenen Gegner gebrauchen konnte, ohne ihn schwer zu verletzen. Doch kaum war es so weit, stürzte sich der Junge auch schon mit erhobenen Fäusten auf ihn. Trevanion spürte, wie sein Nasenbein knirschte. Ehe er sich von seiner Überraschung erholen konnte, hatte der Junge einen weiteren Treffer im Gesicht gelandet, gefolgt von einem Stoß in den Magen. Trevanion ließ sich fallen, um sich dem Jungen zu erkennen zu geben, aber da traf ihn ein Tritt am Kinn. Er taumelte und ihm wurde sofort klar, dass er diesen Welpen wohl oder übel unterwerfen musste.
Er kam wieder auf die Beine und seine Faust krachte gegen die Wangenknochen des Jungen. Er hörte Gefangene und Wachen johlen. Er wusste, dass er nicht verlieren durfte, sonst würde ein anderer den Jungen für sich beanspruchen. Und der würde Dinge mit ihm anstellen, deren bloße Vorstellung Trevanion den Magen umdrehten. Also versetzte er dem Jungen einen Schlag nach dem anderen.
Er kämpfte so wild um ihrer beider Leben, dass die gaffende Meute vor Vergnügen brüllte. Die Häftlinge hatten lange darauf gewartet mitzuerleben, wozu Trevanion fähig war. In dieser Nacht war es so weit. Aber der Junge wollte einfach nicht klein beigeben, und Trevanion flehte im Stillen zur Göttin: Hilf mir, damit ich mich meinem Sohn offenbaren kann.
Ich habe getan, was getan werden musste.
Da spürte er einen Ellbogen im Gesicht, hörte Knochen brechen, und in seinem Kopf tanzten Höllenfeuer einen Todesreigen. Er packte den Jungen am Genick und zog ihn zu sich heran, bis beide mit den Köpfen zusammenstießen. Blut sickerte aus seinem Mund. Er schmeckte es auf der Zunge, wo es sich mit dem Blut des Jungen mischte, und er stieß ein lautes Brüllen aus.
Aber der Junge gab einfach nicht auf. Was ihm an Stärke fehlte, machte er mit Geschick und Zähigkeit wett, bis Trevanion ihn endlich am Boden hatte, die Hand an seiner Kehle, Wange an Wange. Er konnte das Weiße in den Augen des Jungen sehen. Da endlich konnte er ihm etwas zuraunen: ein Wort, das ihm in all den Jahren nicht ein einziges Mal über die Lippen gekommen war. Denn allein sein Klang war so voller Hoffnung und Qual zugleich, dass es einen Menschen zugrunde richten konnte. Dabei wusste auch noch die niedrigste Kreatur in diesem gottverlassenen Gefängnis, dass hier alle Hoffnung vergebens war.
„Finnikin.“
Der Junge erstarrte. Er war halb blind von Schweiß und Dreck und Blut, aber für einen Moment erhaschte er einen guten Blick auf seinen Gegner. Verfilzte, nach Unrat stinkende Haare, ein schmutziges Gesicht.
„Vertrau mir.“
Mit diesen Worten versetzte Trevanion seinem Sohn einen Faustschlag, dass alles um ihn herum schwarz wurde.
Ein widerlicher Gestank riss Finnikin aus seiner Ohnmacht. Er fing an zu würgen. Voller Entsetzen erblickte er einen Bär von Mann, der über ihm stand. Da kehrten auf einmal die Ereignisse der vergangenen Nacht in sein Bewusstsein zurück.
Das letzte Mal hatte er
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