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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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Menschen von Pfeilen niedergestreckt wurden und die Jäger sie keines zweiten Blickes würdigten, begriff ich, was ich tun musste.“
    „Du liebe Schmerzensgöttin!“, stieß Sir Topher hervor.
    „Habt Ihr nicht auch als Kind dieses Spiel gespielt?“, fragte sie leise. „Das Spiel, bei dem man sich tot stellt? Das muss man manchmal, um zu überleben. Man tut so, als ob.“
    Finnikin hatte solche Spiele täglich mit den Königskindern gespielt. Aber dazu hatte ganz gewiss nicht gehört, einen Pfeil zu nehmen und ihn sich ein paar Fingerbreit über dem Herzen selbst in den Leib zu stoßen. Und sie hatten sich auch nicht auf die Zunge beißen müssen, um nicht laut aufzuschreien, während um sie herum das zufriedene Grunzen von Männern zu hören war, die vergessen hatten, was es bedeutete, ein Mensch zu sein. Sie hatten sich nicht den Pfeil selbst mit beiden Händen herausziehen müssen aus einer Haut, die dafür gemacht war, geküsst und gestreichelt zu werden. Sie hatten nicht über tote Familienangehörige steigen und den Ort nach Überlebenden absuchen müssen. Und im Spiel waren sie auch nicht zwei Wochen lang barfuß zum Kloster der Lagrami in die Abgeschiedenheit von Sendecane gelaufen, weil eine Frau im Schlaf es von ihnen verlangt hatte.
    Ich habe getan, was getan werden musste.
    „Es war mir vergönnt, unter einem Glücksstern geboren zu werden“, sagte Evanjalin leise. „Also blieb ich am Leben, während andere starben.“
    Sir Topher war der Erste, der sich wegdrehte. In seine Decke gehüllt lag er da. Seine Schultern zuckten, denn sein Schmerz war so groß, dass er ihn nicht verbergen konnte, wie sehr er sich auch bemühte.
    „Schlaf, Evanjalin“, sagte Finnikin sanft. Träume von Kirschblüten und dem Lachen der jungen Mädchen, die du unter dem Schutz der Göttin Sagrami glaubst.
    Einige Zeit später, als die anderen bereits schliefen, hörte Finnikin ein unterdrücktes Seufzen. Er drehte sich um und sah, dass Trevanion immer noch wach war.
    „Was ist?“, fragte Finnikin. „Wenn du ihre Geschichte anzweifelst, muss ich mich mit dir anlegen“, sagte er unwirsch.
    Trevanion schüttelte den Kopf. „Das Mädchen lügt nicht, Finnikin. Aber sie sagt uns nicht die ganze Wahrheit über die Mädchen von Lumatere. Mich quält, was sie uns verschweigt.“ Trevanion beugte sich näher zu ihm hin und sagte leise: „Ich frage mich: Was kann Eltern dazu zwingen, den Tod der eigenen Tochter vorzutäuschen? Was machen diese Ungeheuer mit unserem Volk?“

Kapitel 12

    D ie Stadt Sif war der letzte Hafen der Zivilisation auf dem Festland von Skuldenore und wurde hauptsächlich von Kaufleuten, Söldnern und wagemutigen Forschungsreisenden besucht.
    Sie war Anlaufstelle für all jene, die untertauchen wollten. Trevanions Gewährsmann im Bergwerk hatte ihm gesagt, dass die Königliche Garde in einem Felsendorf in Yutlind Süd gesehen worden war. Um diese Gegend von Sif aus zu erreichen, mussten sie in einer Kogge die Küste entlang und um das Kap fahren, und von dort aus zur Mündung des Flusses Yack in das von Kriegen erschütterte Königreich.
    „Kein Mensch reist heutzutage nach Yutlind Süd“, sagte der Kapitän der Myrinhall . Er musterte Trevanion und Finnikin und spuckte dabei einen orangefarbenen Kern nach dem anderen ins Wasser.
    Sie standen an Deck des Handelsschiffs, das zwanzig Mann Besatzung hatte. Es war ein Schiff mit flachem Rumpf. Der hohe Mast trug ein Viereckssegel, robust genug fürs offene Meer und klein genug für eine Flussfahrt. Somit war es wie geschaffen, um durch das seichte Schilfbett des Yack manövriert zu werden.
    „Man hat uns gesagt, Ihr legt heute ab“, sagte Trevanion, „um Handelsgüter aus Yutlind Süd zu holen.“
    „Wenn die Bezahlung stimmt, holen wir die Güter bei den Händlern am Flussufer ab, aber wir nehmen keine Passagiere mit. Ich konnte auch so schon meine Männer kaum überreden, heute an Bord zu gehen. Für Fremde ist der Yack lebensgefährlich.“
    „Wir müssen zu den Felsendörfern nahe der Nordgrenze.“
    Der Kapitän sah sie ungläubig an. „Ihr wollt den ganzen Weg nach Süden auf Euch nehmen, nur um dann wieder nach Norden zu reisen? Ihr solltet lieber eine Route über die Berge und durch Belegonia wählen.“
    „Bei den Göttern, wirklich?“, rief Finnikin sarkastisch. „Warum hat uns das keiner gesagt?“
    Trevanions Stirnrunzeln hielt ihn von einem weiteren Kommentar ab.
    „Nehmt unser Silber und lasst uns an Bord“, schlug der

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