Winterlicht
über den Fluss kommen und sich ihre Beute holen.
Als Trevanion seinen Sohn erreicht hatte, drehte er Finnikin um. Er hörte ihn spucken und nach Luft schnappen. Für Freudenausbrüche war jedoch keine Zeit, ja es war nicht einmal genug Zeit, Finnikin die Last des Köchers und der Messer abzunehmen. Trevanion zerrte ihn, so wie er war, zum Ufer.
Sir Topher, das Mädchen und der Dieb zogen die beiden ins hohe Schilf. Statt in den Dschungel zu fliehen, blieben sie geduckt im knietiefen Wasser stehen. Als die Sonne hinter den Wolken verschwand, begannen sie vor Kälte zu zittern.
Trevanion presste die Hand gegen Finnikins Mund, denn sein Sohn stöhnte vor Schmerz. Der Pfeil hatte ihn oberhalb der Hüfte getroffen und musste bald entfernt werden. Der Gedanke daran, Finnikin noch mehr Schmerzen zuzufügen, war unerträglich. Trevanion wusste, welche Art von Widerhaken sich in Finnikins Körper befand; er hatte sie auf dem Deck des Schiffes liegen sehen: breite, eiserne Pfeilspitzen, die für die Jagd auf Tiere gedacht waren. Es würde sehr schwer werden, den Pfeil herauszuziehen.
Auf beiden Seiten des Flusses waren eigenartige Stimmen zu hören, markerschütterndes Heulen, Hohnschreie. Die Yuts spielten Katz und Maus mit ihnen. Während seiner zehnjährigen Gefangenschaft hatte Trevanion sich niemals in einer so ausweglosen Situation befunden. Er verachtete sich dafür, dass er nicht in der Lage war, seine Leute in Sicherheit zu bringen, weg aus diesem schlammigen, insektenverseuchten Sumpf.
Der Dieb wandte sich von Finnikin ab, der vor Schmerz zuckte, und legte die Hände über die Ohren, um die Schreie nicht hören zu müssen. „Kannst du denn nicht zaubern?“, fragte er Evanjalin vorwurfsvoll.
Trevanion hingegen wusste, dass ihre einzige Hoffnung darin lag zu warten.
„Meint ihr, sie haben aufgegeben?“, fragte Sir Topher.
Die Stimmen waren verstummt, doch die nun folgende Stille war noch viel beängstigender. Trevanion schüttelte den Kopf und deutete auf ein Wäldchen in der Ferne. Die Yuts trugen kleine Metallplättchen um Handgelenke und Knöchel, und diese blitzten zwischen den Bäumen im Sonnenlicht.
„Sie wollen uns zeigen, dass wir umzingelt sind“, sagte er leise und deutete auf eine Baumgruppe links von ihnen und eine weitere auf der anderen Seite des Flusses.
„Ich kann mit ihnen in ihrer Sprache reden, Sir Topher“, murmelte Finnikin fiebrig. „Ihnen sage n … wir sind in Friede n … ihr Recht auf Yutlind Süd anerkenne n …“
Sir Topher legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. „Du überanstrengst dich, Finnikin.“
Trevanion hörte besorgt, wie der Atem seines Sohnes immer schwerer ging. Finnikin saß halb aufrecht, gestützt von Sir Topher. Das Kauern war zu anstrengend geworden, also hockten sie jetzt im seichten Wasser und waren den Mücken und Wasserratten ausgeliefert, die mit bösartigem Eifer zubissen.
„Diese Leute sprechen kein normales Yut“, stellte Evanjalin fest. Sie starrte auf den Pfeil in Finnikins Seite, dann warf sie Trevanion einen Blick zu. Er verstand und legte die Hand an den Schaft des Pfeils.
„Damal s … als sie in Lumatere eine Audienz beim König wollten“, stieß Finnikin hervor im Versuch, sich gegen den Schmerz zu wehren, „da sagtet Ih r … Ihr sagtet, er hätte versprochen, sie anzuerkenne n …“
„Das waren andere Leute, Finnikin“, sagte Sir Topher. „Diese Männer hier sind Geistkrieger. Sie sprechen die alte Sprache der Ureinwohner.“
„Sie gehören zu den Volksstämmen, die das Königreich im Süden bewachen“, erklärte Evanjalin. Sie war kreidebleich und angespannt. „Das ist seit Anbeginn der Zeit ihre Aufgabe. Ihre Bräuche und ihre Sprache sind zwar verschieden, aber sie betrachten sich als Verwandte der anderen Bewohner von Yutlind Süd und sie sind Todfeinde der Völker im Norden. Viele von ihnen sind den Händlern zum Opfer gefallen, die mit ihren Schiffen auf dem Fluss hierherkommen und die Ureinwohner gefangen nehmen, um sie als Sklaven in Sorel zu verkaufen.“
„Wa s … wolle n … sie von uns?“, fragte Finnikin heiser.
Trevanion starrte Evanjalin an und schüttelte warnend den Kopf, damit sie ihm nicht die Wahrheit sagte. Was sie wollten, war sein Sohn. Den Jungen, der Haare hatte so rot wie der Sonnenuntergang.
„Vertraust du mir?“, flüsterte sie.
Finnikin verdrehte die Augen. Trevanion konnte nicht genau sagen, ob es vom Schmerz der Verwundung kam oder von der Übelkeit, weil er schmutziges
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