Winterlicht
begleiten“, schlug Augustin vor.
„Du?“, fuhr sie ihn an. „Du passt ja unter meinen Arm, Kleiner.“ Dann gab sie dem Säugling einen Kuss und schlug die Tür hinter sich zu.
„Wer einmal in ihrem Ehebett landet, tut mir jetzt schon leid“, sagte Augustin halblaut.
Trevanion achtete nicht auf ihn, sondern sah Perri an. „Du“, sagte er. „Wenn mir irgendetwas passiert, dann beschütze meinen Jungen.“
„Trevanion“, wandte Augustin ein, „ich werde Finnikin beschützen. Er wird immer einen Platz in meinem Haus haben.“
„Nein“, sagte Trevanion fest. „Du wirst dafür sorgen, dass mein Sohn alle Vorrechte erhält, die ihm zustehen, Augustin, so wie es der Sohn der Bartolina von den Felsen verdient. Aber du“, sagte er und deutete auf Perri, „du beschützt ihn.“
„Ich bin der falsche Mann“, brauste Perri auf.
„Nein“, sagte Trevanion und blickte zum Fenster hinaus. „Du bist der beste Schütze im Königreich. Wenn du denkst, ich bin heute nur zufällig durch dein Moor gekommen, dann täuschst du dich. Wir befreien dieses Königreich von den Eindringlingen vom Meer und wir befreien Lumatere von einer schwachen, bestechlichen Garde.“
„Was hat der König dir dafür versprochen, Trevanion?“, fragte Augustin.
„Die höchste Ehre für einen Krieger in diesem Königreich. Und heute habe ich meine Garde ausgewählt.“ Er legte den Säugling zurück in den Korb. „Öffne die Tür.“
Draußen stand eine Gruppe junger Männer. Sie kamen nicht nur aus dem Flussland, sondern auch aus den Bergen und einige sogar aus dem Tiefland. Der Raum erbebte unter ihren Schritten und sie redeten die ganze Nacht hindurch, mit gedämpften Stimmen, aber voller Leidenschaft.
„Wo ist Trevanion?“, fragte einer von ihnen später, als das erste Morgenlicht unter der Tür hindurchdrang.
Augustin aus dem Tiefland sah sich um. „Wahrscheinlich am Grab. Er würde dort schlafen, wenn das Kind nicht wäre.“
Einer der Männer ging zum Säuglingskorb und zog die Decke zur Seite. Im selben Moment stand er auch schon an der Wand mit einer Dolchspitze am Hals. Er starrte in die obsidianfarbenen Augen von Perri dem Wilden, der in sein Ohr zischte: „Rühr ihn noch einmal an und du verlierst eine Hand.“
Bei Tagesanbruch erreichten sie die Mündung des Yack. Yutlind war das Land der vier Flüsse, grün und fruchtbar, mit Wäldern im Norden und dem Dschungel im Süden. Das Gebiet des Nordens und Südens hatte die Größe von Lumatere und Osteria zusammen, aber hier waren mehr Menschen in den Bruderkriegen gestorben als im ganzen Rest des Landes. In den alten Geschichten hieß es, der Gott von Yutlind habe sein Volk erschaffen, indem er sein Blut mit der Erde des Dschungels und dem der Wälder vermischte. Der Streit darüber, welche Erde die Bessere sei, wurde seit Urzeiten geführ t – bis schließlich ein Kriegsherr seinen Palast im Norden errichtete. Seine Herrschaft wurde von den Anführern in ganz Skuldenore anerkannt, da sie nach Jahrhunderten der Unruhe und des Aufruhrs müde geworden waren. Nur der Süden Yutlinds weigerte sich standhaft, ihm zu gehorchen.
In Anwesenheit der Reisegäste herrschte eine erwartungsvolle Stille. Die Mannschaft war nervös. Der Kapitän der Myrinhall legte den Finger an die Lippen und befahl allen, leise zu sein. Finnikin spähte über die Reling, aber der Dschungel zu beiden Seiten des sich dahinschlängelnden Flusses gab keines jener Geheimnisse preis, die er hinter dichtem Blattwerk bewahrte. Es schien kaum vorstellbar, dass es an einem solchen Ort menschliches Leben gab. Finnikin konnte es kaum erwarten, dass sie endlich weiter unten am Fluss anlegten. Dort sollte die Myrinhall ihre Fahrgäste an Land bringen und die Güter einladen. Trevanions Plan war, sich unter den Händlern einen Kundschafter zu suchen, der sie durch das Grasland bis zu den Felsendörfern führte.
Finnikin beobachtete den Kapitän. Um sich mit seinen Männern zu verständigen, benutzte er eine Zeichensprache, die ihnen wohl schon in ähnlich gefährlichen Situationen von Nutzen gewesen war. Er sah, wie der Kapitän über ein Signal von einem seiner Männer lautlos lachte, und zum ersten Mal, seit sie sich auf dem Yack befanden, entspannte Finnikin sich.
Der erste Pfeil traf den Kapitän zwischen die Augen.
Er war bereits tot, als er vor Finnikins Füße fiel, das Gesicht für die Ewigkeit in blankem Entsetzen erstarrt. Da zischten auch schon die nächsten Geschosse über Finnikin
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