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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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war.“
    Evanjalin sah ihn traurig an. Sie war keine Handbreit von ihm entfernt und er unterdrückte das Verlangen, ihr Gesicht in seine Hände zu nehmen.
    „Aber das war zu einer Zeit, als Balthasar dachte, er würde ewig leben“, sagte sie. „Damals hatte noch niemand seine Eltern und Geschwister ermordet. Damals glaubte er noch an Silberwölfe und Einhörner im Wald und es gab noch keinen Unterschied zwischen ihm und einem Bauernjungen. Aber es gibt eben doch einen Unterschied. So wie es einen Unterschied gibt zwischen einem Krieger und einem Obersten Ratgeber. Dein Vater ist der eine und du, Finnikin, bist der andere.“
    „Du denkst, ich könnte nie ein großer Krieger werden?“
    „Heute waren auf diesem Platz viele große Krieger. Kommt es da auf einen mehr oder weniger an? Was fehlte, waren Männer, die den Mut haben, ein Königreich zu regieren. Jeder Mann kann töten, Finnikin. Dazu braucht es nur einen einzigen Schwerthieb, nur eine kraftvolle Handbewegung. Aber nicht jeder Mann versteht es, andere zu führen. Denn dazu braucht man das hier“, sie zeigte auf seinen Kopf, „und das hier“, sie legte die Hand an seine Brust.
    Unten im Hof ging eine Tür auf.
    „Finnikin!“, rief Trevanion. „Wo steckst du? Wir gehen ins Badehaus. Kommst du mit?“
    Aber Finnikin hatte nur Augen für Evanjalin.
    „Bist du einer von ihnen?“, fragte sie sanft.
    „Natürlich“, erwiderte Finnikin.
    „Dann geh“, sagte Evanjalin und rümpfte die Nase. „Und lass mich hier in meinem goldenen Käfig allein.“
    Er grinste. „Du bist nur wütend, weil wir dich wie ein Mädchen behandeln.“
    „Ich bin ein Mädchen. Und mich ärgert höchstens, dass eine Schar Männer, denen es meistens ziemlich egal ist, ob sie sauber sind oder nicht, sich den Luxus eines Badehauses gönnen dürfen, während andere, die nur zu gerne dorthin gehen würden, mit mindestens zehn Dreckschichten auf der Haut herumlaufen müssen.“
    Er streckte die Hand aus und strich mit der Rückseite seiner Finger vorsichtig über ihr Gesicht. „Ach was, du lügst. Es sind höchstens acht.“
    „Finnikin!“, rief sein Vater noch einmal.
    „Mach, dass du wegkommst, Schmutzfink“, sagte sie spöttisch. „Geh ins Badehaus, wo du herumsitzen und mit den anderen über die Vorzüge des Kriegerlebens palavern kannst.“
    Finnikin sah zu, wie Aldron von den Flüssen im Badehaus herumstolzierte und es sich dann neben Trevanion gemütlich machte. Der junge Gardist hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit Lucian. Im Gegensatz zu Finnikins Blässe und seiner schlanken Gestalt war Aldron von kräftiger Statur und hatte die typische Hautfarbe der Flussleute. Finnikin versuchte gar nicht erst, sich mit den muskulösen Männern zu vergleichen.
    „Wie ich gehört habe, teilen wir uns bald in Gruppen auf, Hauptmann Trevanion“, sagte Aldron.
    Trevanion nickte. „Wir müssen die Vertriebenen aus den verschiedenen Königreichen sammeln. Ich erkläre es euch heute Abend.“
    „Aldron meldet sich gewiss freiwillig, um unseren Jüngsten Geleit zu geben“, scherzte einer der Älteren.
    Finnikin drehte sich zu Aldron um. „Evanjalin und der Junge bleiben bei mir“, sagte er kühl. „Das ist am einfachsten.“
    „Am einfachsten ist es, wenn du mit Perri und Moss reitest, damit du von unseren erfahrenen Männern das eine oder andere über die Kunst der Verteidigung lernst, Finnikin“, erwiderte Aldron.
    „Um mit Evanjalin und Froi zurechtzukommen, braucht es einen starken Willen“, sagte Finnikin. „Du könntest in Schwierigkeiten geraten.“
    „Was soll mir denn schon passieren?“, höhnte Aldron.
    „Sie könnte dich beispielsweise ins Minengefängnis werfen lassen. Oder sie verkauft dich an die Sklavenhändler von Sorel“, sagte Finnikin leichthin.
    „Du willst mir doch nur Angst einjagen. Gehört sie etwa zu dir? Denn wenn das so sein sollte, dann brauchst du nur ein Wort zu sagen und ich halte meine Zunge im Zaum und lasse meine Augen von ihr.“
    Die Männer drehten sich zu Finnikin und warteten auf seine Antwort.
    Gehörte Evanjalin zu ihm? Nein, wollte er sagen. Sie gehörte dem zukünftigen König, seinem Spielkameraden aus Kindertagen, den er wie einen Bruder liebte. Aber es gab Augenblicke, in denen hasste er den geliebten Balthasar. Dann wünschte er sich sehnlichst, an seiner Stelle zu sein.
    „Sucht euch lieber selbst Frauen“, sagte Finnikin.
    Die Männer johlten.
    „Leichter gesagt als getan“, meinte Moss. „Einige von uns halten

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