Winterlicht
abwegig“, sagte Sir Topher. „Mit einer Marionette auf dem Thron von Lumatere ist der Weg frei nach Belegonia, dem mächtigsten Königreich im ganzen Land.“
„Warum ausgerechnet Lumatere? Sie hätten sich genauso gut für Osteria entscheiden können“, sagte Aldron.
„Weil Osteria mit Sorel verbündet ist. Nicht einmal die Charyniten sind so dumm, sich auf ein solches Wagnis einzulassen.“
„Diese Erklärung leuchtet mir vollkommen ein“, sagte Perri, „ich glaube nur nicht, dass das Mädchen in der Lage ist, in die Träume anderer Menschen einzudringen. Das ist eine Wahnvorstellung.“
„Dann lass uns über ihre Vermutungen und nicht über ihre Wahnvorstellung reden“, sagte Trevanion. „Die Charyniten fürchten uns. Wenn wir Lumatere befreien, wandern der Thronräuber und seine Gefolgschaft ins Gefängnis, allesamt Schwächlinge, deren Willen leicht gebrochen werden kann. Sie werden recht bald gestehen, wer in Wahrheit hinter den Palastmorden steckte, nämlich der König von Charyn. Die Belegonier wird das bestimmt interessieren.“
„Damit zetteln wir einen Krieg zwischen den beiden mächtigsten Königreichen von Skuldenore an“, gab Sir Topher zu bedenken. „Ein Krieg, der sich in alle Nachbarreiche von Lumatere ausbreiten könnte.“
Nach diesen Worten herrschte betretenes Schweigen.
„Ein Krieg, der das ganze Land in Mitleidenschaft zieht?“
Die Männer drehten sich um. Vor ihnen stand Evanjalin.
„Soll das unsere Rückkehr erzwingen? Die Vernichtung von ganz Skuldenore?“
Die Männer wussten nicht recht, wie sie sich verhalten sollten, nur Finnikin rutschte zur Seite, um Evanjalin auf der Sitzbank einen Platz freizumachen.
„Wir haben gerade eine ganz außerordentliche Geschichte gehört“, sagte Perri kühl.
„Glaubt ihr an die Götter?“, fragte Evanjalin.
„Ich glaube an ihn“, antwortete Perri und deutete auf Trevanion. „Wo er hingeht, geht auch die Garde hin. Mehr kann niemand von mir verlangen.“
Sie sah ihn einen Augenblick lang verständnisvoll an. „Deine Familie hat in der Nähe der Waldbewohner gelebt, nicht wahr?“
Finnikin spürte, wie überrumpelt Perri war, auch wenn dieser es sich nicht anmerken lassen wollte.
„Ich betrachte sie nicht unbedingt als meine Familie.“
„Aber du hast mit eigenen Augen gesehen, wozu die Waldbewohner mit ihren besonderen Gaben fähig sind.“
Perris Blick war eisig. „Ich weiß so gut wie nichts über ihre Geheimnisse. Wenn ich mit den Waldbewohnern in Berührung kam, dann meist nur, um Blut zu vergieße n – und zwar das ihre.“
„Dann kann ich dir nicht begreiflich machen, wie ich in die Träume anderer Menschen gelange.“
„Versuch es dennoch“, sagte Trevanion und nickte Evanjalin aufmunternd zu.
„Es handelt sich um einen Blutzauber“, sagte Finnikin.
„Ach, ich verstehe. Dann ist ja alles sonnenklar“, sagte Perri trocken.
„Bei Seranonna hingegen war es ein Blutfluch“, fügte Sir Topher hinzu.
„Und die jungen Mädchen von Lumatere sind geschützt, weil die Soldaten des Thronräubers glauben, sie hätten eine Blutkrankheit“, ergänzte Trevanion.
„Und was genau hat es mit diesem ganzen Blut auf sich?“, fragte Moss.
Evanjalin sah Sir Topher fragend an.
„Nicht die Einzelheiten, Evanjalin“, sagte er und errötete leicht. „Wenn nötig, erkläre ich es später genauer.“
Sie nickte. „Ich war zwölf Jahre alt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, weil mich mit einem Mal ein merkwürdiges Gefühl überkam. So als würde ich mit den Seelen anderer Menschen verschmelzen. Ich verspürte einen so starken inneren Frieden, dass ich mich beinahe schon im Himmel bei unserer Göttin wähnte. In jener Nacht wandelte ich zum ersten Mal durch einen Traum. Ich hielt ein kleines Bündel im Arm. Ein neugeborenes Kind.“
„Hat das Kind mit dir gesprochen?“, fragte einer der Männer.
Evanjalin sah ihn verwirrt an. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Neugeborenes sprechen kann.“
„Es ist genauso unwahrscheinlich wie ein Mädchen, das durch die Träume anderer Menschen wandert“, erwiderte Perri.
„Mir wäre es auch lieber gewesen, die Göttin hätte mir eine andere Gabe verliehen, Sir. Zum Beispiel die Fähigkeit, zu heilen oder mit Tieren zu reden oder ein Schwert so zu halten, wie ein Mann es sich von einer Frau wünscht, aber ich bin nun einmal dazu ausersehen, durch die Träume der Menschen zu wandeln.“
Perri hatte genug Anstand, betreten dreinzublicken, und
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