Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition)
herausstellen. Das war es. Weil ... Engel? Geister wären vertretbar, aber Engel? Nee!
***
Gähnend reckte er sich, rieb sich über die Augen und war bereits im Begriff aufzustehen, als die Erinnerungen an die vergangene Nacht auf ihn einprasselten. Erstarrt hielt er inne und lauschte angestrengt. Nichts – lediglich das Ticken des Weckers und dieses Mal folgte kein Scheppern.
Ein Fortschritt, wie er fand, und jetzt am helllichten Tag erschien ihm seine Theorie, dass es sich bei dieser nächtlichen Episode wirklich nur um einen Traum gehandelt hatte – zugegebenermaßen einen recht lebhaften Traum – um so wahrscheinlicher.
Trotzdem blieb er einen weiteren Moment liegen, starrte zur Decke und lauschte weiterhin. Sicher war sicher, doch auch in den nächsten Minuten tat sich nichts.
Schließlich rubbelte er sich durch die schwarzen Haare, brachte sie damit noch mehr durcheinander und stand auf. Er wollte bereits ins Bad gehen, als er innehielt. Zögernd überquerte er stattdessen den Flur, lugte vorsichtig um die Ecke zur Küche und ... Scheiße!
Egal, was in der Nacht zuvor geschehen war, ein Traum war es nicht gewesen. Der Raum versank noch immer im Chaos. Schnell blickte er sich um, doch von dem Engel fehlte jede Spur. Vorsichtshalber wagte er sich ins Wohnzimmer, aber auch hier erwartete ihn kein Rotschopf. Blieb also das Bad. Doch dies war ebenfalls leer. Immerhin etwas.
War gestern Nacht vielleicht Vollmond gewesen? Sollte ja Menschen geben, die schlafwandelnd so einiges anstellten und obwohl er dies seines Wissens nach noch nie getan hatte, gab es bekanntlich stets ein erstes Mal. Was er jetzt brauchte, war dringend eine Dusche und danach einen Kaffee, extra stark.
Grimmig stellte er das Wasser an, regelte die Temperatur und begann sich auszuziehen, stoppte jedoch, als er bei den Shorts ankam.
„Du bist doch nicht etwa hier, oder?“, fragte er laut in den Raum und schalt sich sogleich einen Narren.
Er hatte wirklich einen an der Waffel. Entschlossen streifte er die Hose ab und trat unter den Strahl. Normalerweise duschte er schnell, heute ließ er sich Zeit, bis die Haut bereits rot und die Finger schrumpelig waren. Erst dann stellte er das Wasser ab und schnappte sich ein Badetuch, um es sich um die Hüfte zu schlingen.
Vor dem Spiegel blieb er stehen, wischte mit der flachen Hand über die beschlagene Oberfläche und starrte sein Spiegelbild an. Seine Wangen waren gerötet, doch um seine Augen lagen dunkle Schatten.
„Als Boss-Model gehst du heute nicht durch und du wirst eindeutig alt, Blake“, diagnostizierte er.
Früher hätte ihn eine durchwachte Nacht nicht derart mitgenommen. Seufzend schnappte er sich ein weiteres Handtuch und rubbelte sich die Haare einigermaßen trocken, bevor er zurück ins Schlafzimmer ging, um sich anzuziehen. Auch heute wählte er eine einfache, aber bequeme graue Trainingshose und einen weiten, dunkelblauen Wollpulli, sah ihn ja keiner. Zuvor einmal tief durchatmend und sich wappnend, schlurfte er gähnend in die Küche, wo sich ihm zu seiner Überraschung ein neues Bild bot – größtenteils war das Chaos beseitigt, dafür war der Engel zurück.
„Zum Teufel“, stöhnte er und der Rotschopf blickte auf.
„Ich wünschte, du würdest das nicht immer sagen“, beschwerte sich dieser und sah ihn tadelnd an.
Kurz schloss Blake die Augen, zählte bis zehn und öffnete sie. Doch das Bild blieb das gleiche. Auf dem Absatz drehte er sich um und ging in den Flur.
„Wo willst du hin?“, rief ihm das Ding hinterher und klang dabei recht alarmiert. Blake reagierte nicht, sondern zog sich einfach weiter Schuhe, Mantel und Schal an und strebte zur Tür. Plötzlich tauchte der Rotschopf vor ihm auf.
„Wo willst du hin?“, wiederholte dieser nun etwas nachdrücklicher.
„Zum Arzt. Vielleicht kann der mir das hier erklären und wenn nicht, ein paar nette bunte Pillen verschreiben", zischte Blake und ärgerte sich über sich selbst, weil er es einfach nicht lassen konnte und 'ihm' antwortete. Aber jemanden zu ignorieren war eben unhöflich, selbst wenn es sich dabei um eine Wahnvorstellung handelte. „Vielleicht bin ich auch einfach überarbeitet?“, überlegte er laut und tat sein bestes, es dem Polizisten der vergangenen Nacht gleichzutun und durch den Engel hindurchzusehen.
„Du bist nicht verrückt!“, behauptete dieser stur, was Blake lediglich ein Schnauben entlockte. „Und ich beweise dir!“
„Ach ja, und wie willst du das machen?“,
Weitere Kostenlose Bücher