Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition)
fragte Blake höhnisch.
„Wenn mich noch jemand anderes sehen kann, dann ist das doch ein Beweis, dass es mich gibt, oder?“
Ausdruckslos sah Blake ihn an. Ja, das wäre es, aber er war sich nicht wirklich sicher, ob er einen solchen überhaupt haben wollte. Denn wenn er nicht verrückt war und dies alles nicht seiner Fantasie oder einer Wahnvorstellung entsprang, dann war dieser Typ ergo real und das wäre ...
Aber der Engel wartete erst gar keine Antwort ab, sondern packte ihn am Arm, öffnete die Tür und zog ihn durchs Treppenhaus, bis sie auf dem Gehweg angekommen waren. Dort wies ihn der Engel an, genau dort stehen zu bleiben, bevor er sich suchend umblickte und ein Stück vorging.
Blake, der das Ganze erstmal Verdauen musste, gehorchte, blieb, wo er war und beobachtete ihn, wie sich er sich einem geschäftig wirkenden Mann mit einem Handy am Ohr in den Weg stellte. Fast rechnete er damit, dass dieser einfach durch den Engel hindurchlaufen würde, doch plötzlich hob der Mann den Kopf und wich im letzten Moment aus, um, eine Entschuldigung murmelnd, weiter zu hetzen.
Mit offenem Mund verfolgte Blake das Ganze. Kurz blickte der Rotschopf dem Passanten hinterher, dann sah er zu ihm zurück. Ihre Blicke trafen sich und Blake wünschte sich augenblicklich eine theatralische Ohnmacht, nur um dem hier ein Weilchen länger entgehen zu können. Aber natürlich gewährte man ihm dies nicht. Wie auch, schließlich hatte ihm der Big Boss offensichtlich diesen leicht trotteligen Flattermann aufgehalst. Was hatte er bloß verbrochen, um das zu verdienen?
Abermals machte Blake auf dem Absatz kehrt, diesmal um wie betäubt zurück in seine Wohnung zu schlurfen. Erst in seiner Küche blieb er stehen – inmitten des immer noch beachtlichen Durcheinanders.
„Wenn du für alle anderen unsichtbar bist, warum dann nicht für mich?“, erkundigte sich Blake, wohl wissend, dass der andere ihm gefolgt war.
„Ich wollte backen“, war die einfache Antwort. „Und dazu musste ich einen Körper haben, sonst geht das ja nicht.“
Nein, natürlich, sonst geht das ja nicht. Wie doof von mir, dachte Blake, dessen Kopf wieder zu schmerzen begann. Das Backblech mit den fertigen Plätzchen stand nun auf dem Tisch, und so griff er wie von selbst danach. Selbstgebackenen Plätzchen hatte er noch nie widerstehen können, was sich jetzt als schwerer Fehler erwies. Er biss ein recht großes Stück ab, kaute einmal und griff dann schnell nach der Küchenrolle, um ein Papiertuch abzureisen.
„Zum Teufel ...“, fluchte er und spuckte das widerlich schmeckende Gebäckstück aus.
„Das war das erste Mal, dass ich gebacken hab“, gestand der Engel geknickt, trat an ihm vorbei und begutachtete ebenfalls das Plätzchenblech.
Ach nee, na darauf wäre er ja nie von alleine gekommen. Wirkte doch alles so professionell. Sich über die Stirn reibend inspizierte Blake das Chaos, was auch dem anderen nicht entging.
„Eigentlich wollte ich hiermit schon fertig sein, aber irgendwie dauert das Saubermachen doch länger, als ich dachte.“ Dabei machte der Rotschopf so ein grimmiges Gesicht, dass er ein Lachen unterdrücken musste.
„Aufräumen dauert in der Regel länger, als den Dreck zu verursachen. Lass mich raten, hast du auch noch nie gemacht?“ Der Engel schüttelte den Kopf und machte den Eindruck, als wäre er über diese neue Erfahrung nicht sonderlich erfreut. „Aber zusammen geht’s schneller.“
Diese Bemerkung brachte ihm einen überraschten Blick aus verblüffend grünen Augen ein, dann erschien ein Strahlen auf dem viel zu attraktiven Gesicht. Sobald ihm dieser Gedanke kam, verpasste sich Blake einen imaginären Arschtritt. Hirngespinst oder nicht, den Kerl lecker zu finden, war so oder so eine ganz schlechte Idee.
Betont beschäftigt machte er sich daher an die Arbeit und teilte den Engel zum Spüldienst ein, während er sich einen Besen schnappte und die Sauerei aus Mehl, Zucker, gehackten Nüssen, bunten Zuckerstreuseln und Schokotropfen aufzukehren, die den Küchenboden dekorierten. Der Typ hatte wirklich in die Vollen gelangt.
„Und du bist also ein Engel?“, fragte er, nachdem er die Stille zwischen ihnen nicht mehr aushielt, die gerade einmal knappe fünf Minuten angedauert hatte. Aber wer zählte schon?
„Hm“, meinte dieser und war schwer damit beschäftigt, umständlich eine Schüssel zu schrubben. Wenn sich Blake das so beguckte, wunderte es ihn nicht mehr, wie seine Küche aussah, eher, dass diese
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